Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise

Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise

Ministry of Foreign Affairs of the People’s Republic of China, 24.02.2023

https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202302/t20230224_11030713.html )

Übersetzt von Fee Strieffler und Wolfgang Jung, 06.03.23

  1. Respektierung der Souveränität aller Länder: Das allgemein anerkannte Völkerrecht, einschließlich der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, muss strikt eingehalten werden. Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit aller Länder müssen wirksam gewahrt werden. Alle Länder, ob groß oder klein, stark oder schwach, reich oder arm, sind gleichberechtigte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft. Alle Parteien sollten gemeinsam die grundlegenden Normen für die internationalen Beziehungen aufrechterhalten und für internationale Fairness und Gerechtigkeit eintreten. Die gleichberechtigte und einheitliche Anwendung des Völkerrechts ist zu fördern, während Doppelstandards abzulehnen sind.
  1. Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges: Die Sicherheit eines Landes sollte nicht auf Kosten anderer Länder angestrebt werden. Die Sicherheit einer Region sollte nicht durch die Stärkung oder Ausweitung von Militärblöcken erreicht werden. Die legitimen Sicherheitsinteressen und -belange aller Länder müssen ernst genommen und angemessen berücksichtigt werden. Es gibt keine einfache Lösung für ein komplexes Problem. Alle Parteien sollten gemäß der Vision einer gemeinsamen, umfassenden, kooperativen und nachhaltigen Sicherheit und mit Blick auf den langfristigen Frieden und die Stabilität in der Welt dazu beitragen, eine ausgewogene, effektive und nachhaltige europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Alle Parteien sollten sich dem Streben nach eigener Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer widersetzen, eine Blockkonfrontation verhindern und sich gemeinsam für Frieden und Stabilität auf dem eurasischen Kontinent einsetzen.
  1. Beendigung der Feindseligkeiten: Konflikte und Kriege sind für niemanden von Vorteil. Alle Parteien müssen rational bleiben und Zurückhaltung üben, es vermeiden, die Flammen zu schüren und die Spannungen zu verschärfen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder gar außer Kontrolle gerät. Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine dabei unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und den direkten Dialog so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, um die Situation schrittweise zu deeskalieren und schließlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen.
  1. Wiederaufnahme der Friedensgespräche: Dialog und Verhandlungen sind die einzige praktikable Lösung für die Ukraine-Krise. Alle Bemühungen, die zu einer friedlichen Beilegung der Krise beitragen, müssen gefördert und unterstützt werden. Die internationale Gemeinschaft sollte sich weiterhin für den richtigen Ansatz zur Förderung von Friedensgesprächen einsetzen, den Konfliktparteien dabei helfen, so bald wie möglich die Tür zu einer politischen Lösung zu öffnen, und Bedingungen und Plattformen für die Wiederaufnahme von Verhandlungen schaffen. China wird in dieser Hinsicht weiterhin eine konstruktive Rolle spielen.
  1. Bewältigung der humanitären Krise: Alle Maßnahmen, die zur Linderung der humanitären Krise beitragen, müssen gefördert und unterstützt werden. Humanitäre Maßnahmen sollten den Grundsätzen der Neutralität und Unparteilichkeit folgen, und humanitäre Fragen sollten nicht politisiert werden. Die Sicherheit der Zivilbevölkerung muss wirksam geschützt werden, und es sollten humanitäre Korridore für die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus den Konfliktgebieten eingerichtet werden. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die humanitäre Hilfe in den betroffenen Gebieten zu verstärken, die humanitären Bedingungen zu verbessern und einen schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe zu gewährleisten, um eine humanitäre Krise größeren Ausmaßes zu verhindern. Die Vereinten Nationen sollten bei der Koordinierung der humanitären Hilfe für die Konfliktgebiete unterstützt werden.
  1. Schutz von Zivilisten und Kriegsgefangenen (POWs): Die Konfliktparteien sollten sich strikt an das humanitäre Völkerrecht halten, Angriffe auf Zivilisten oder zivile Einrichtungen vermeiden, Frauen, Kinder und andere Opfer des Konflikts schützen und die Grundrechte der Kriegsgefangenen achten. China unterstützt den Austausch von Kriegsgefangenen zwischen Russland und der Ukraine und fordert alle Parteien auf, günstigere Bedingungen für diesen Zweck zu schaffen.
  1. Sicherheit von Kernkraftwerken: China lehnt bewaffnete Angriffe auf Kernkraftwerke oder andere friedliche kerntechnische Anlagen ab und fordert alle Parteien auf, das Völkerrecht, einschließlich des Übereinkommens über nukleare Sicherheit, einzuhalten und von Menschen verursachte nukleare Unfälle entschlossen zu vermeiden. China unterstützt die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) dabei, eine konstruktive Rolle bei der Förderung der Sicherheit friedlicher Nuklearanlagen zu spielen.
  1. Verringerung der strategischen Risiken: Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt und Atomkriege dürfen nicht geführt werden. Die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen sollte abgelehnt werden. Die Weiterverbreitung von Kernwaffen muss verhindert und eine nukleare Krise vermieden werden. China lehnt die Erforschung, Entwicklung und den Einsatz von chemischen und biologischen Waffen durch jedes Land unter allen Umständen ab.
  1. Erleichterung der Getreideexporte: Alle Parteien müssen die von Russland, der Türkei, der Ukraine und den Vereinten Nationen unterzeichnete Schwarzmeer-Getreide-Initiative in ausgewogener Weise vollständig und wirksam umsetzen und die Vereinten Nationen dabei unterstützen, eine wichtige Rolle in dieser Hinsicht zu spielen. Die von China vorgeschlagene Kooperationsinitiative zur globalen Ernährungssicherheit bietet eine praktikable Lösung für die globale Nahrungsmittelkrise.
  1. Beendigung einseitiger Sanktionen: Einseitige Sanktionen und maximaler Druck können das Problem nicht lösen; sie schaffen nur neue Probleme. China lehnt einseitige, vom UN-Sicherheitsrat nicht genehmigte Sanktionen ab. Die betroffenen Länder sollten aufhören, einseitige Sanktionen und die „weitreichende Gerichtsbarkeit“ gegen andere Länder zu missbrauchen, um ihren Teil zur Deeskalation der Ukraine-Krise beizutragen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Entwicklungsländer ihre Wirtschaft ausbauen und die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung verbessern können.
  1. Aufrechterhaltung der Industrie- und Lieferketten: Alle Parteien sollten sich ernsthaft für den Erhalt des bestehenden Weltwirtschaftssystems einsetzen und sich dagegen wehren, die Weltwirtschaft als Werkzeug oder Waffe für politische Zwecke zu missbrauchen. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um die Auswirkungen der Krise abzumildern und zu verhindern, dass sie die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Finanzen, Lebensmittelhandel und Verkehr stört und den weltweiten Wirtschaftsaufschwung untergräbt.
  1. Förderung des Wiederaufbaus nach Konflikten: Die internationale Gemeinschaft muss Maßnahmen ergreifen, um den Wiederaufbau nach Konflikten in Konfliktgebieten zu unterstützen. China ist bereit, dabei Hilfe zu leisten und eine konstruktive Rolle zu spielen.

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(Wir haben das chinesische Positionspapier mit DeepL-Unterstützung übersetzt und nur den jeweiligen Anfang der 12 Punkte hervorgehoben.)

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Anmerkungen: Wir meinen, dass die pauschale Zurückweisung des chinesischen Positionspapiers unklug war und zu schnell erfolgt ist. Auf der Basis der Vorschläge Chinas und der von der RAND Corporation der US-Regierung empfohlenen „Vermeidung eines langen Krieges“ (s. https://afsaneyebahar.com/2023/02/15/20694814/ ) hätten alle am Ukraine-Konflikt beteiligten Parteien das Angebot Chinas, „bei der Wiederaufnahme von Verhandlungen weiterhin eine konstruktive Rolle spielen“ zu wollen, sorgfältig prüfen und annehmen sollen.

Die RAND Corporation hat der US-Regierung empfohlen, den Krieg in der Ukraine möglichst schnell zu beenden – unter Nutzung von vier Optionen: „Klärung ihrer Pläne für die künftige Unterstützung der Ukraine, Zusagen für die Sicherheit der Ukraine, Zusicherung der Neutralität der Ukraine und Festlegung von Bedingungen für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland“ .

Die beiden ersten Optionen könnten vielleicht die Ukraine und die beiden anderen Russland an den Verhandlungstisch bringen. Müsste nicht wenigstens versucht werden, das sinnlose Sterben in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden?

PDF-Version: FS WJ 6.3.2023

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Weitere Schriften von Fee Strieffler und Wolfgang Jung:

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Siehe auch:

Chinas Generalabrechnung: Kulturelle Hegemonie der USA und die Verbreitung falscher Narrative

Das chinesische Außenministerium hat eine quasi-offizielle und umfangreiche Generalabrechnung mit den USA veröffentlicht. Da die westlichen Qualitätsmedien die wesentlichen Aussagen des Papiers weitgehend ignorierten, veröffentlicht es RT DE in voller Länge in drei aufeinanderfolgenden Teilen in einer Übersetzung von Rainer Rupp.

Teil 1; 4.3.2023

https://freeassange.rtde.live/international/164465-die-hegemonie-der-usa-und-ihre-gefahren-teil-1/

Teil 2; 5.3.2023

https://pressefreiheit.rtde.live/international/164514-chinas-generalabrechnung-wirtschaftliche-und-technologische/

Teil 3; 6.3.2023

https://gegenzensur.rtde.world/international/164621-chinas-generalabrechnung-kulturelle-hegemonie-usa/

Alle drei Teile als PDF-Version: RR 6.3.202

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Peking ergreift die Initiative im Ukraine-Konflikt

Von Ralph Bosshard

27.2.2023

Pünktlich zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine lancierte das chinesische Außenministerium seine Initiative zu einer politischen Lösung des Konflikts (9). Peking hat mit seinem geschickt formulierten und lancierten Friedensvorschlag seinen Anspruch auf Mitsprache in wichtigen Fragen der Weltpolitik angemeldet und fördert weiter seine Vision von einer multipolaren Welt, in welcher auch Russland seinen eigenen Platz finden müsse. Fern davon, sich von seinem russischen Partner zu einem ungünstigen Zeitpunkt in einen Konflikt hineinziehen zu lassen, ist China aber auch nicht bereit, diesen fallenzulassen.

Peking ergreift die Initiative im Ukraine-Konflikt