Offener Brief: Approbierte ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und PsychologInnen für eine Solidarisierung mit der Gesamtheit unserer Berufsausübenden, gegen Ausgrenzung, Spaltung, Bestrafung und Berufsausübungsverbote

Offener Brief

Approbierte ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und PsychologInnen für eine Solidarisierung mit der Gesamtheit unserer Berufsausübenden, gegen Ausgrenzung, Spaltung, Bestrafung und Berufsausübungsverbote

9.1.2022

 

Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstandes und der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV),

sehr geehrte Damen und Herren des Vorstandes und des Länderrates der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK),

 

bezugnehmend auf die aktuell erlassene einrichtungs- und berufsbezogene Impfpflicht besteht für ungeimpfte approbierte PsychotherapeutInnen und PsychologInnen in entsprechenden Einrichtungen sowie für FachkollegInnen, die ihren Genesenenstatus verlieren oder sich keiner fortlaufenden Boosterimpfung unterziehen möchten, mit Auslaufen der Frist vom 15. März 2022 ein „Quasi-Berufsausübungsverbot“.

Über eine entsprechende Impf- und Meldepflicht (Impfstatus) wurde bereits in einigen Bundesländern vonseiten der zuständigen Psychotherapeutenkammern und Kassenärztlichen Vereinigungen informiert.

Während an Kliniken angestellten ungeimpften FachkollegInnen das Betreten des Klinikgeländes vonseiten ihrer Arbeitgeber ab dem 16. März 2022 untersagt wird, bereits die Kündigung ausgesprochen oder angedroht wurde, sind niedergelassene approbierte PsychotherapeutInnen um ihre Kassensitze, Zulassungen und die Möglichkeit der Ausübung ihrer Tätigkeit besorgt. Und dies vor dem Hintergrund, den Versorgungsauftrag psychisch erkrankter Menschen im Rahmen des Kassensitzes oder an Kliniken nicht mehr aufrechterhalten zu dürfen.

Ungeachtet der unterschiedlichen Einstellungen der jeweils Unterzeichnenden zur Impfung, möchten wir Verbindendes schaffen und solidarisieren uns ausdrücklich mit allen KollegInnen, die aufgrund ihres Impfstatus aus der psychotherapeutischen und psychologischen Versorgung ausgegrenzt werden sollen!

Wir sprechen uns ausdrücklich gegen eine Ausgrenzung, gegen eine Bestrafung und gegen Berufsausübungsverbote von ungeimpften KollegInnen aus!

KollegInnen verlassen mittlerweile das Land, gehen in vorzeitige Berentung, legen ihre Tätigkeit nieder, sind erschöpft und geängstigt im Krankenstand, erwägen den Ausstieg aus der kassenärztlichen Versorgung, und wir haben nicht nur PatientInnen, sondern auch KollegInnen infolge zunehmender gesellschaftlicher und kollegialer Ausgrenzung, Abwertung, Ängstigung und zunehmenden Druckes suizidal verloren, was uns fassungslos zurücklässt.

All unsere FachkollegInnen geben ihr Bestes, um die Versorgung von PatientInnen aufrechtzuerhalten!

Wir rufen die fachübergeordneten Institutionen und Vereinigungen, konkret die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die zuständigen Landespsychotherapeutenkammern, die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder sowie die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) und den Bundesverband für Vertragspsychotherapeuten e.V. (bvvp) dazu auf, ihre in der Patientenversorgung tätigen Mitglieder in der Gesamtheit zu unterstützen und der Ausgrenzung, Bestrafung und den Berufsausübungsverboten von ungeimpften KollegInnen mit Nachdruck entgegenzuwirken!

Unsere Berufsgruppe braucht in der Gesamtheit Unterstützung!

Wir brauchen jede/n unserer KollegInnen als Mensch UND als Berufsausübende/n, gerade jetzt, wo ein sehr hoher Bedarf an psychologischer und psychotherapeutischer Versorgung in allen Bevölkerungsteilen besteht und noch Jahre nach der Coronazeit bestehen wird.

Auch in unserer Berufsgruppe darf die Spaltung nicht verstärkt werden, indem man anhand des Impfstatus KollegInnen ausgrenzt oder bestraft! Daher gebührt impfbefürwortenden UND impfbesorgten KollegInnen in gleichem Maße Unterstützung und Akzeptanz.

Weder psychotherapeutische noch psychologische Praxen, Kliniken und Institutionen gelten als Infektionstreiber oder Orte außergewöhnlicher Infektionsgefahr, da auch in diesem Fachbereich hohe Hygienestandards bestehen.

Zur Sicherung psychotherapeutischer und psychologischer Versorgung von PatientInnen in den kassenärztlichen Niederlassungen, Kliniken und Institutionen, im Sinne der Menschlichkeit, Würde und fachlichen Wertschätzung, bitten wir um entsprechende Unterstützung für ALLE KollegInnen und damit um Verbindendes!

Wir stellen uns damit klar gegen eine Spaltung, Ausgrenzung, Bestrafung und gegen Berufsausübungsverbote von ungeimpften Kolleginnen und Kollegen und bitten um Ihr Mitwirken im Sinne der Gesamtheit unserer Berufsgruppe und zur Sicherung der Patientenversorgung!

 

Der vollständige Text des offenen Briefes mit den Namen der 456 Unterzeichner:

Klicke, um auf offener-brief-der-psychotherapeuten-9.1.2022.pdf zuzugreifen

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Siehe auch:

Ganzheitliches Denken gerade in den Krisenzeiten

Ausgewählte Beiträge

Ganzheitliches Denken gerade in den Krisenzeiten; Teil 4: ausgewählte Beiträge ab 11.11.2021

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Eine offene Antwort auf einen offenen Brief

Psychotherapeutenkammer NRW

20.1.2022

https://www.ptk-nrw.de/aktuelles/meldungen/detail/eine-offene-antwort-auf-einen-offenen-brief

 

Am 9. Januar 2022 erreichte die Psychotherapeutenkammer NRW ein „Offener Brief“ mit dem Titel „Approbierte ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen und PsychologInnen für eine Solidarisierung mit der Gesamtheit unserer Berufsausübenden, gegen Ausgrenzung, Spaltung, Bestrafung und Berufsausübungsverbote“, der von mehr als 450 Mitzeichnerinnen und Mitzeichnern unterstützt wird. Das Schreiben wurde allen Landespsychotherapeutenkammern, der Bundespsychotherapeutenkammer, Berufsverbänden, den Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder, der Pressestelle der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dem Bundesgesundheitsministerium, dem Deutschen Bundestag und der Deutschen Bundesregierung zur Kenntnis gegeben.

In dem Schreiben werden Annahmen, Vermutungen und Andeutungen geäußert, die aus Sicht des Vorstandes der Psychotherapeutenkammer NRW nicht unkommentiert bleiben dürfen.

Die Profession trägt für die öffentliche Gesundheit eine besondere Verantwortung

Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW fordert alle Berufskolleginnen und -kollegen auf, die erforderlichen Schutz- und Hygienemaßnahmen zu ergreifen, das heißt auch, sich impfen zu lassen, damit sie ihren Versorgungsverpflichtungen nachkommen können. Wenn Kolleginnen und Kollegen aus persönlichen Gründen Impfmaßnahmen ablehnen, gilt es dies zu respektieren. Gleichwohl ist klar: Diese müssen die Konsequenzen dieser Entscheidung selbst tragen. So werden sie für die Zeit der Pandemielage wahrscheinlich psychotherapeutische Behandlungen nicht mehr ausführen können. Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW bedauert die daraus resultierenden Beeinträchtigungen, sieht darin aber keine „kollegiale Ausgrenzung“, sondern notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sowie der Risikominimierung gerade im Gesundheitswesen.

Es ist unredlich, den Eindruck zu erwecken, dass für persönliche Entscheidungen der gesamte Berufsstand zu haften hat. Die Aufforderung, sich mit den Kolleginnen und Kollegen zu solidarisieren, die „aufgrund ihres Impfstatus“ aus der psychotherapeutischen Versorgung „ausgegrenzt werden sollen“, passt nicht zur Wirklichkeit.

Wissenschaftlich, fachlich unseriöse Behauptungen schaden dem Ansehen der Profession

Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten üben ihren Beruf auf der Basis wissenschaftlich fundierter Verfahren und Methoden aus. Die Anwendung unwissenschaftlicher Vorgehensweisen ist aus fachlichen und berufsethischen Gründen nicht erlaubt. Wenn im Rahmen der öffentlichen Diskussion zum Thema Impfen der Eindruck erweckt wird, dass es sich hierbei um ein unwissenschaftliches Verfahren handelt, dann wird auch die wissenschaftliche Fundierung unserer Profession beschädigt. Die Psychotherapeutenkammer NRW widerspricht ausdrücklich der Andeutung, dass es auch andere als wissenschaftlich begründete Fakten gibt. Es ist insofern keine Frage persönlicher „Meinungen“, ob Impfmaßnahmen richtig oder falsch sind.

Die politische Dimension dieser Argumentation ist demokratiefeindlich und unser Gemeinwesen beschädigend

Während die Impfmaßnahmen selbst wissenschaftlich gut begründet sind, ist die Frage einer (tätigkeitsbezogenen) Impf-Pflicht eine politische Entscheidung. Hier kann man unterschiedlicher Meinung sein. Der Vorstand der Psychotherapeutenkammer NRW kann nachvollziehen, dass die Mitglieder des Bundestags in einer klaren Mehrheitsentscheidung den im Gesundheitswesen Tätigen eine besondere Verpflichtung gegenüber vulnerablen Menschen auferlegen. In dem „Offenen Brief“ werden allerdings dramatische Reaktionen als Folgen von „Spaltung, Ausgrenzung, Bestrafung“ dargestellt. Es wird der Eindruck erzeugt, dass die „Spalter“ die anderen, die staatlichen Akteure sind, und die Kolleginnen und Kollegen, die Impfmaßnahmen ablehnen, die Opfer dieser Maßnahmen. Es wird so eine Argumentation „wir gegen den Staat“ aufgebaut, der den einzelnen angeblich bedroht.

Die Psychotherapeutenkammer NRW hält diese Szenarien für gefährlich. Sie stellen die demokratischen Spielregeln in Frage. Die individuellen Rechte werden hier nicht außer Kraft gesetzt. Unser aller Freiheit ist durch das Infektionsschutzgesetz nicht bedroht!

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EDITORIAL

Deutsches Ärztebaltt; Ausgabe Februar 2022, Seite 49

Ungeimpfte Psychotherapeuten: Die Konsequenzen tragen

Von Petra Bühring

 

https://www.aerzteblatt.de/archiv/223124/Ungeimpfte-Psychotherapeuten-Die-Konsequenzen-tragen

 

Ein offener Brief von 455 Unterstützerinnen und Unterstützern ungeimpfter Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erreichte die Redaktion am 9. Januar. Dieser war an die Kassenärztliche Bundesvereinigung, Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Landespsychotherapeutenkammern, Kassenärztliche Vereinigungen, das Bundesgesundheitsministerium, die Bundesregierung sowie Berufsverbände gerichtet mit der Aufforderung „Ausgrenzung, Bestrafung und den Berufsausübungsverboten von ungeimpften Kolleginnen und Kollegen entgegenzuwirken“. Hintergrund ist die mit dem Infektionsschutzgesetz erlassene Impfpflicht gegen COVID-19 für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, die bis zum 15. März nachgewiesen werden muss. Die Absicht des Gesetzgebers ist es, das Infektionsgeschehen einzudämmen und vulnerable Patienten in Heimen, Kliniken und Praxen zu schützen. Die Unterstützer der Ungeimpften versuchen in dem Brief, Mitgefühl mit den ungeimpften Kolleginnen und Kollegen zu wecken. Diese gingen in vorzeitige Berentung, legten ihre Tätigkeit nieder oder erwägten auszuwandern, heißt es. Andere seien „erschöpft und geängstigt im Krankenstand“, oder hätten sogar Suizid begangen. Schuld daran ist im Sinne der Unterstützer die „zunehmende gesellschaftliche und kollegiale Ausgrenzung, Abwertung, Ängstigung und Druck“, auch durch Kollegen. Zudem werde jeder Kollege in der psychotherapeutischen Versorgung gebraucht. Das ist grundsätzlich natürlich richtig, nur in dieser Argumentation am falschen Platz.

Die Psychotherapeutenkammer NRW – die sich als einzige Kammer in einer „offenen Antwort“ gegen den offenen Brief positioniert – konstatiert zu Recht, dass die Unterstützer damit die demokratischen Spielregeln infrage stellen, was gefährlich sei. Es werde der Eindruck erzeugt, dass die „Spalter“ die anderen, die staatlichen Akteure seien, und die Kollegen, die Impfmaßnahmen ablehnen, die „Opfer“ dieser Maßnahmen. Es werde so eine Argumentation „wir gegen den Staat“ aufgebaut, der den Einzelnen angeblich bedrohe.

Die Bundespsychotherapeutenkammer teilt auf Anfrage nach einer Stellungnahme zu dem offenen Brief mit, die Impfpflicht für Gesundheitsberufe in Praxen und Krankenhäusern zu unterstützen. Es müssten alle Maßnahmen ergriffen werden, die wissenschaftlich begründet sind und Patienten vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus bewahren.

Psychotherapeuten müssen grundsätzlich ihrer Versorgungsverpflichtung nachkommen und alle Schutz- und Hygienemaßnahmen durchführen, um dies gewährleisten zu können. Darauf weist die Psychotherapeutenkammer NRW weiter hin. Dazu gehöre auch, sich impfen zu lassen. Wenn die Kollegen aus persönlichen Gründen Impfmaßnahmen ablehnen, gelte es dies zu respektieren, so die Kammer. Die Konsequenzen dieser Entscheidung müssten sie indes selbst tragen.

In diesem Sinne und noch einmal deutlich: Wenn Mitarbeiter im Gesundheitswesen sich schon nicht in der Verantwortung für ihre eigene Gesundheit impfen lassen, so sollten sie es aus Fürsorge und zum Schutz ihrer Patienten tun. Ist ihnen dies gleichgültig, muss der Gesetzgeber Patienten und Mitarbeiter schützen, auch wenn das einem Berufsausübungsverbot gleichkommt.

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