Willy Wimmer, Jahrgang 1943, war von 1976 bis 2009 Abgeordneter im Deutschen Bundestag, zudem Verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der KSZE/OSZE. Er führte weltweit Gespräche auf höchster staatlicher Ebene, insbesondere in Krisengebieten. Als ausgewiesener Experte für außen- und sicherheitspolitische Fragen ist er bis heute gefragter Interviewpartner im In- und Ausland. Seit 2014 verstärkte publizistische Tätigkeit. Von ihm erschienen bisher „Die Akte Moskau“ und „Deutschland im Umbruch“ sowie gemeinsam mit Wolfgang Effenberger „Wiederkehr der Hasardeure“ und gemeinsam mit Alexander Sosnowski „Und immer wieder Versailles“.
Der systematische Regelbruch
Die USA beanspruchen für sich ein amerikanisches Welt-Faustrecht und legen zusammen mit ihren Vasallenstaaten die Völkerrechtsordnung zu den Akten.
Von Willy Wimmer
18.2.2022
So mancher geriet ins Staunen, als sich der deutsche Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch in Washington auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem „Boss der westlichen Wertegemeinschaft“ und US-Präsidenten, Joe Biden, zu einer von ihm so genannten „regelbasierten Ordnung“ vernehmen ließ. Das kam aus dem Munde des deutschen Bundeskanzlers, der offensichtlich völlig vergessen musste, dass die internationale Völkerrechtsordnung auch und gerade auf den Frieden von Münster und Osnabrück des Jahres 1648 zurückzuführen ist. Diese Völkerrechtsordnung fand ihre letzte Ausprägung in der Charta der Vereinten Nationen, die aus dem Grauen und den Verwüstungen von zwei Weltkriegen 1945 die bis heute gültigen Konsequenzen zog. An diesen Säulen der internationalen Ordnung wird seit Mitte der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts mächtig gerüttelt. Seither ist es die klare und erkennbare Absicht der Regierungen der Vereinigten Staaten, die tragenden Grundsätze der internationalen Völkerrechtsordnung zum Einsturz zu bringen. Die Charta der Vereinten Nationen soll auf den Müllhaufen der Geschichte wandern. Sie soll durch Regeln ersetzt werden, die die Vereinigten Staaten der Welt aufzwingen.
Man hätte aufmerken müssen, als ausgerechnet eine frühere Verteidigungsministerin plötzlich von einer „regelbasierten, internationalen Ordnung“ sprach, als sie eine deutsche Fregatte auf große Fahrt gen China schickte, weil die USA dies von ihr verlangt hatten. Statt durch einvernehmliche Veränderungen eine unter Umständen notwendige Anpassung an veränderte Zeiten vorzunehmen, legen die USA mittels völkerrechtswidriger Kriege der Welt Zwangsregeln auf, um die ihnen genehme internationale Rechtsordnung zu finden. Es ist mit dem Völkerrecht wie mit der Charta der Vereinten Nationen. Dieses Verhalten finden wir auch in dem innerstaatlichen Vorgehen der deutschen Regierungen. Nicht nur in der Kriegsfrage sondern auch beim Schutz der deutschen Staatsgrenzen wird die verfassungsmäßige Ordnung gleichsam geschreddert, um im Wesentlichen ausländischen Interessen, darunter denen der Nato, Genüge zu tun.
Das wurde alles in diesen Wochen der kriegsgeneigten Lage auf dem euro-asiatischen Kontinent wieder einmal deutlich. Die beiden Mächte, China und Russland, verlangten von den USA ein klares Bekenntnis zur Charta der Vereinten Nationen als Maßstab ihres Vorgehens in der Welt. Bis heute ist keine Antwort aus Washington eingegangen.
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