„Die Sanktionen gegen Afghanistan sind Völkermord in Zeitlupe“
Prof. Dr. Zaher Wahab im Gespräch mit Rüdiger Göbel
12.1.2022
„Die Vereinten Nationen schlagen Alarm: 4,7 Millionen Menschen in Afghanistan leiden mittlerweile an schwerer Unterernährung, davon 3,9 Millionen Kinder. 131.000 Kindern droht ohne zusätzliche Hilfe der Hungertod. Das UN-Nothilfebüro OCHA veranschlagt die Hilfskosten für Afghanistan und die Nachbarländer mit afghanischen Flüchtlingen auf 4,5 Milliarden Euro. „Die Menschen verkaufen alles, was sie haben, auch ihre Kinder, nur um etwas zum Essen zu bekommen“, beklagt Prof. Dr. Zaher Wahab. Im Gespräch mit Rüdiger Göbel fordert der Experte für die politische Geschichte Afghanistans die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen und rechnet schonungslos mit 20 Jahren Afghanistan-Krieg der USA und ihrer „Koalition der Willigen“ sowie dem von ihnen eingesetzten „Marionettenregime“ in Kabul ab: „Einige wenige wurden obszön reich, die große Mehrheit verarmte. Alles war erlaubt, nichts war wichtig.“ […]“
„[…] Am 15. August 2021 ist nicht nur eine einfache humanitäre Krise über Afghanistan hereingebrochen, sondern eine wahre Katastrophe: Um ihr Gesicht zu wahren und die Taliban zu bestrafen, verhängten die USA umfassende und strenge Wirtschaftssanktionen gegen das gesamte Land. Sie froren die bei US-Banken hinterlegten Geldreserven Afghanistans in Höhe von 9,5 Milliarden Dollar ein. Die USA gingen noch weiter und zwangen die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und andere Organisationen, keine Gelder mehr zu überweisen, die zuvor für Afghanistan vorgesehen waren. In einem Land, das in den vergangenen 20 Jahren zu 80 Prozent von ausländischer Hilfe abhängig war, kamen von heute auf morgen keine Gelder mehr an, während gleichzeitig Gelder aus dem Land ins Ausland abgeflossen sind. Die schlimmste, unberechenbare Form der kollektiven Bestrafung wurde über das gesamte Land verhängt. Es kam zu einem massiven Exodus aus dem Inferno. Wer immer konnte, verließ das Land mit allen Mitteln, wohin auch immer. Diese Flucht ist die schlimmste Abwanderungswelle in den vergangenen vier Jahrzehnten. Das soziale Gefüge des Landes ist zerrissen.[…]“
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