Gedichte (2.1. bis 10.2.2024)

Gedichte (2.1. bis 10.2.2024)

PDF-Version: Gedichte2.1.-10.2.2024

 

Schraubzwingen

(2.1.2024)

 

Ich bin wahrlich der Mittelpunkt des Universums

Das Leben darf sich entfalten

nur wenn meine Interessen

dabei ungefährdet bleiben

Ansonsten benutze ich bewusst

ausgetüftelte, wirksame

sichtbare und verdeckte Schraubzwingen

Hierzu verwende ich alles

was die Welt hergibt

selbstverständlich auch die Menschen

Ich bin wahrlich der Mittelpunkt des Universums

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Der Weg

(18.1.2024)

 

Schritt für Schritt

wird der unendlich weite Weg

behutsam gemeinsam beschritten

in der hellen Hoffnung

im Lichte des solidarischen Ganges

ihn besser zu erstreiten

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Der Apfelbaum

(20.1.2024)

 

Durch die weiche, weiße Samtdecke

ragt der kräftige Baumstamm empor

An den blattlosen Ästen

hängen tausend Kristallkegel

auf deren glänzenden Oberfläche

sich die Sonne sanft spiegelt

Dieses berauschende Lichtspiel

wird immer wieder unterbrochen

durch gemächlich vorbeiziehende Wolken

Die roten kleinen Hagebutten

der fleißigen kleinblättrigen Kletterrose

führen als wache Wegweiser

zu einem noch leerstehenden Nistkasten

Vielleicht beschenken uns die Kohlmeisen

auch in diesem Jahr

durch ihren anmutigen Aufenthalt

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Vorzüglich qualifiziert

(21.1.2024)

 

Unter den Abgeordneten im Parlament

findet sich heutzutage in der Regel

kein einfacher Taschendieb

Die Auserwählten haben offensichtlich erfolgreich

für höhere Formen der Kriminalität

vorzügliche Qualifikationen erworben

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Haltet den Dieb

(28.1.2024)

 

Heute schreie ich wieder inbrünstig

Haltet den Dieb!

Haltet den Dieb!

Denn ich bin so rein und edel

wie eine gerade aufgegangene Knospe

wie eine Wasserquelle in hohen Bergen

wie Edelsteine tief in der Erde

Und meine Unternehmungen

dienen nur hehren Werten

Heute schreie ich wieder inbrünstig

Haltet den Dieb!

Haltet den Dieb!

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Sklaventum

(3.2.2024)

 

Die sich manchmal rasant, manchmal schleichend

weltweit ausbreitende Versklavung

beruht eigentlich auf einer Wahl

auf freiwilliger Bequemlichkeit

 

Stolz, überzeugt, rechthaberisch

zeigen die Sklaven

ihre selbst auferlegten Ketten

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Angezüchtete Blindheit

(3.2.2024)

 

Verblendet, überheblich, verachtend

waren sie nicht fähig

in der Grausamkeit ihrer Gegner

die eigene Brutalität

und das krebsartige Wachsen

ihrer eigenen Gewalt

wiederzuerkennen

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Edle Seelen

(3.2.2024)

 

Ihr geräuschvolles Geschwätz

berauschte sie gründlich

verlieh ihnen trügerisch

Großartigkeit und Selbstsicherheit

 

An jeder entscheidenden Biegung

des langen Weges

enthüllten die angeblich edlen Seelen

schamlos, erbärmlich

wie tief verwurzelt

ihre uralte Lebensverachtung war

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Was ist es

(3.2.2024)

 

Ist es die Macht des Unbewussten

ist es die schiere Feigheit

ist es die verbrecherische Bequemlichkeit

oder ist es die tiefe Angst

über sich selbst zu Gericht zu sitzen

 

Wieso wird ungestüm, unvollständig

über den Schatten der Vergangenheit

öffentlich gesprochen

und gleichzeitig heftig

die zum Himmel schreiende Gegenwart

töricht totgeschwiegen

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Berglandschaft

(5.2.2024)

 

Das Hellblau des Himmels

erscheint hier tiefer und kräftiger

Der weiße Mantel der Berge

wirkt in der Ferne

weich und warm

Auf der höchsten, sichtbaren Bergspitze

singt die Sonne leidenschaftliche Lieder

vor seinem baldigen Abschied

Dein silbernes Haar vervollständigt

besinnlich dieses betörende Bild

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Handwerker

(5.2.2024)

 

Vom Beruf bin ich Handwerker

Gärtner, Schneider, Maler

Das hohle, hochgestochene Geschwätz

der viel gelobten Gelehrten

ohne jegliche Verbindung zur Erde

interessiert mich wenig

Mein Kopf und mein Herz

stehen im Dienste meiner Hände

und umgekehrt auch

 

Schreiben ist für mich wie Gartenarbeit

Gedanken, Gefühle, Betrachtungen

füge ich zu Körnern zusammen

die der Erde übergeben werden

in der tiefen Hoffnung

dass bald Keimblätter und Knospen

unaufhaltsam aufgehen

und frohlockend einen kleinen Beitrag

zum Erhalt des Lebens leisten

 

So einfach und bodenständig

sind die Wünsche

eines bescheidenen Handwerkers

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Krabbeldecke

(5.2.2024)

 

Bald werden die Zwillinge

mit ihrem herzlichen Lachen

neues Lebensfeuer lichterloh

in meiner Brust entfachen

 

Ihre doppelseitige Krabbeldecke

liegt schon zum Ausbreiten bereit

Auf ihrer einen Seite

grüßen bunte Boote jeden Beobachter

und sprechen eine besondere Einladung aus:

Vor und hinter den Meeren

befinden sich fruchtbare Böden

geeignet für gedeihliches Leben

Vergeudet nicht die Gegenwart

mit eurem Zögern und Zaudern

in dieser schnelllebigen Zeit                              

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Selbstgespräche

(5.2.2024)

 

Wahrhaftig gehöre ich zu den Glücklichen

In jeder Etappe meines Lebens

wurde ich von ehrlichen Gesprächspartnern

ohne Belehrung und Bewertung begleitet

Sie beleuchteten meine Lebenswege

ohne kaufmännische Berechnungen

 

Neben und hinter mir stehend

bereicherten stets Anwesende

aus fernen und nahen Ländern

aus der Vergangenheit und der Gegenwart

warmherzig, weise

meine Selbstgespräche

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Entschuldigung

(5.2.2024)

 

Meine Gedichte

ihr leichtfüßigen Vögel

euch bitte ich aufrichtig um Entschuldigung

Abgelenkt durch trostlose Zeiten

vergaß ich vorübergehend

die beträchtliche Beachtung

die eurer Anwesenheit gebührt

im Dienste meiner eigenen Lebensfreude

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Wenn Gehirne gähnen

(6.2.2024)

 

Wenn große und kleine Geister

vom Gedächtnisschwund befallen

gewissenlos gierig gaffen

und ständig Scherbenhaufen schaffen                      

führen verlogene Verbrecher

unter der verfälschten Flagge

„Nie wieder Auschwitz!“

das unaufmerksame Volk

in einen sogenannten gerechten Krieg

 

Wenn der Sinn für die Geschichte

einer gähnenden Leere gleicht

gestaltet ein tristes Trio theatralisch

mitten in mindestens zwei Kriegen stehend

mächtige militärische Manöver

für kommende, noch größere Kriege

und verbreitet prahlend weltweit                                       

mit unterschiedlichsten Mitteln

Verheerung und Elend

 

Wenn Gehirne grausig gähnen

und Gedächtnisse geräuschvoll gären

marschieren munter hörige Untertanen

gemäß der neuen amtlichen Anordnung

„Nie wieder ist heute!“

sich als Gutmenschen betrachtend

gehobenen Hauptes gerade

zu ihren eigenhändig gebauten Grabstätten

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Plastisch

(6.2.2024)

 

Die Botschaft der Berge

bei aufgehender Sonne

war einfach und belebend:

Das Gehirn bleibt bis zum Tode

potenziell plastisch

und somit lernfähig

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Heimat

(6.2.2024)

 

Heimat ist dort

wo meine Liebsten leben

Das zeigt sich auch

in der Sprache der Gedichte

auch wenn diese

nicht meine Muttersprache ist

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Sehenswürdigkeiten

(6.2.2024)

 

Am Rande des vereisten Wanderweges

haben sich kleine Schneehügel gebildet

Der Wind als genialer Baumeister

hat diese hellen Hügel

bezaubernd berührt

Herausgekommen sind prächtige Paläste

mit tausend weißen, feinen Kristallsäulen

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Ein Wunsch

(6.2.2024)

 

Sollte ich für dich

einen einzigen Wunsch frei haben

werde ich sehnsüchtig sagen:

Du sollst von der Liebe zum Leben

reichlich umgeben sein

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Sich wehren

(6.2.2024)

Nicht müde werden

und sich weiterhin wehren

gegen die Verlogenheit der Machthaber

gegen ihre willfährigen Handlanger

 

Wie die Gezeiten beharrlich

die Gegebenheiten neugestalten

 

Nicht müde werden

bei der Nachahmung

des Lebendigen

angesichts der sich abwechselnden Jahreszeiten

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Gesellschaftliche Gegebenheiten

(7.2.2024)

 

Bei veränderter Beleuchtung

erschien heute tagsüber

der gewiss weiterhin tiefweiße Schmuck

der hohen, fernen Berge

verschmutzt und hellgrau

Das erinnerte mich beeindruckend

an die dringende Notwendigkeit

der besseren Beleuchtung

gesellschaftlicher Gegebenheiten

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Kleine Wunder

(7.2.2024)

 

Berglandschaften liebe ich besonders

Sie verschärfen den Sinn für Verhältnismäßigkeit

bei der wachen Betrachtung der Welt

Damit bereichern sie

die erforderliche bodenständige Bescheidenheit

 

Berglandschaften erweitern den Blickwinkel

besänftigend, beruhigend

zur besseren Wahrnehmung

der kleinen Wunder des Lebens

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Eisrosetten als Botschafter

(8.2.2024)

 

Hoch in den Bergen

am Rande des Wanderweges

werkelt das strömende Wasser

wieder wunderbare Eisrosetten

Die Sonnenstrahlen verfeinern

diese einmaligen Geschenke

 

Weder das kristallklare Schmelzwasser

noch die selbstlosen Sonnenstahlen

haben irgendeinen Gewinn im Sinn

 

Welcher Wanderer

nimmt solch bewegende Botschaften wahr

und beachtet sie in seinem Alltag

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Verrückt

(8.2.2024)

 

Wieso wirken bei zahlreichen Zeitgenossen

die kristallklaren

das Leben tiefgründig beschreibenden

Botschaften von Jesus

weltfremd, nicht im Alltag umsetzbar

einfach verrückt

 

Was ist schiefgelaufen

was läuft schief

in unserer Welt

die wahrlich

verrückt werden sollte

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Der klägliche Kahn

(9.2.2024)

 

Dieser klägliche Kahn ist erbärmlicher

als einer ohne jeglichen Steuermann

Bei dem letzteren bestünde

eine auch wenn geringe Chance

bei günstigem Wind

mit viel Glück

doch einen sicheren Hafen zu erreichen

Bei diesem beklagenswerten Kahn

hat allerdings der käufliche Steuermann

bewusst, bestrebt, bösartig

Gewässer größter Verelendung als Ziel

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Stetigkeit

(10.2.2024)

 

Nicht wie ein augenscheinlich

großartiges, kurzlebiges Feuer sein

das bald aufhört

Licht und Wärme zu spenden

 

Die eigene Geschwindigkeit finden

den geeigneten Atemrhythmus

und dann stetig und regelmäßig

die Beine in Bewegung halten

 

Das ist das große Geheimnis

der gelassenen Kenner

nicht nur beim Wandern

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Abwandlungen

(10.2.2024)

 

Der Nebelschwaden

dieser begnadete Künstler

wandert gemütlich Hand in Hand

mit dem Wind über die Berghänge

und gestaltet gemächlich das Gemälde

ständig sanft um

vor meinen genießenden Augen

 

So wirken die satten Wiesenflecken

ringsherum von Schneeflächen umgeben

in einem Moment wie glattes Eis

und im nächsten Augenblick

wie seichtes Gewässer

So einfach greifbar

ist die Glückseligkeit

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Bewegende Berggeschichten

(10.2.2024)

 

Wenn du in den Bergen

einen Wasserlauf findest

fröhlich-fleißig fließend

schau mit kindlicher Neugier genau hin

ob sich vielleicht in einer Nische

ein kleines Becken gebildet hat

wo sich einige Wassertropfen für eine Weile

zu zärtlichen Gesprächen zurückgezogen haben

Versuche deine Ohren zu schulen

ihre Gespräche begreifen zu lernen

Wenn du dann behutsam

mit deinen Fingerspitzen

die Beckenoberfläche berührst

werden sich ein paar Wassertropfen

durch deine Hautporen

zu deinen Blutgefäßen in Bewegung setzen

Wenn du viel Glück hast

werden sie sich singend

mit deinen Blutzellen vereinigen

Dann wirst du für eine gewisse Zeit

deren Dauer von dir abhängt

mit dem Glanz deiner Augen

mit dem Gesang deines Herzens

mit dem Duft deines Körpers

dich und deine Mitmenschen

mit bewegenden Berggeschichten

reichlich beschenken können

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Verpasste Gelegenheiten

(10.2.2024)

 

Das Leben war geduldig-gütig

und schenkte ihnen gehäuft

Nächte, in denen sie sich selbst

hätten sehen können

und Tage, an denen sie sich selbst

hätten retten können

 

Voller Glanz und gleichzeitig voller Elend

verpassten sie jedoch leichtfertig

mit fürchterlichen Folgen

die geschenkten Gelegenheiten

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