Transatlantizismus im Amoklauf
von Günther Auth
31.3.2024
Die öffentliche Diskussion über den Ukrainekrieg ist zumal in Deutschland eingesperrt in den Vorstellungsraum transatlantischer Falken. Sie manifestiert sich zu einem ganz erheblichen Teil in einer beispiellosen Hetze, die eine surreale Furcht vor dem ‚Bösen‘ nährt, das sich in der scheinbar omnipotenten Person ‚Putins’ sowie der von Russland verbreiteten Propaganda verkörpert[1]. Ein zentraler Plot im Diskurs der transatlantischen Falken besagt, dass eine Verhandlungslösung für die Beendigung des Kriegs kategorisch ausscheidet, weil man mit der Regierung Russlands nicht verhandeln könnte. Putin selbst zeigte angeblich keinerlei Bereitschaft, die legitimen Forderungen der Ukraine in Betracht zu ziehen: einen vollständigen Rückzug Russlands von der Krim und aus den besetzten Gebieten im Osten des Landes; zudem wäre die russische Regierung nicht vertrauenswürdig, daher stünde auch nicht zu erwarten, dass etwaige Vereinbarungen mittelfristig tragen würden. Ob Insider des Geschehens mit widersprüchlichen Informationen zu den fraglichen Sachverhalten aufwarten[2], spielt in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle. Und dass in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung erhebliche Zweifel an der Einfachheit der offiziellen Darstellung bestehen, wird in Politik und Medien völlig ignoriert.
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"[...] Wenn es nun stimmen sollte, dass der Krieg in der Ukraine von US-amerikanischer Seite sehr wohl ‚provoziert’ worden ist, wie fellows des angesehenen Cato-Instituts konstatieren[50]; wenn es außerdem zutreffen sollte, dass eine Beendigung des Krieges in der Ukraine vor allem von westlicher bzw. US-amerikanischer Seite bisher nicht gewollt war, wie informierte Ex-Militärs aus Deutschland betonen[51]; wenn es jedoch aus militärstrategischen Gründen unnötig ist, Russland zu ‚schwächen’, weil Russland dem Westen in konventionell-militärischer Hinsicht immer klar unterlegen und obendrein auch nicht an einem Wettrennen um nuclear primacy interessiert gewesen ist[52]; und wenn Russland ungeachtet aller Behauptungen transatlantischer Falken bisher keine erkennbaren Absichten gehegt hat, den Angriffskrieg mit einem imperialistischen Anspruch weiter nach Westen auszuweiten, was angesichts besagter conventional military inferiority Russlands einem völlig irrationalen Akt der Selbstzerstörung gleichkäme, dann stellt sich die Frage, worum es im Ukrainekrieg tatsächlich geht: Soll Russland durch westliche Waffenlieferungen an die Ukraine zu einem Einsatz taktischer Nuklearwaffen gedrängt werden, um für die NATO einen Anlass zu schaffen, offiziell in den Krieg gegen Russland einzusteigen? Soll diese Form der Eskalation des Krieges den von transatlantischen Falken gewünschten Anlass für einen offensichtlich schon seit längerer Zeit geplanten nuklearen disarming strike gegen Russland schaffen, der in den westlichen Gesellschaften sonst nicht legitimierbar wäre? Liegt in dieser unausgesprochenen Absicht der transatlantischen Falken vielleicht auch die Erklärung für eine Forderung Selenskyjs im Oktober 2022 nach einem NATO-Präventivschlag gegen Russland?[53] Geht es bei einem solchen NATO-Präventivschlag am Ende auch gar nicht um die Verteidigung der Ukraine, den Schutz der ‚regelbasierten internationalen Ordnung’ sowie der oft reflexartig ins Feld geführten ‚westlichen Werte’? Geht es bei einem solchen Präventivschlag vielleicht auch nicht einmal um die Sicherung der military primacy der USA, die in jedem Fall völlig unangefochten bleibt? Geht es bei einem NATO-Präventivschlag vielleicht eher um die Ausschaltung Russlands (und mittelfristig Chinas) als Konkurrent/en der USA im globalen Wirtschafts- und Währungsraum, wie manche Experten betonen[54]? Geht es bei einem solchen Präventivschlag vielleicht auch um ein von westlichen Elitenetzwerken lang gehegtes Ziel der Eliminierung Russlands und seiner legitimen Ansprüche auf die enormen Öl- und Gasressourcen im kaspischen Becken[55] sowie in der Arktis? So abwegig all diese Überlegungen auf den ersten Blick auch wirken mögen: Ein nuklearer disarming strike der USA bzw. der NATO gegen Russland (und evtl. China) scheint manchen einflussreichen Falken offensichtlich nicht nur durchführbar, sondern auch geboten. Aus einer Perspektive informierter Sachlichkeit besitzen solche Überlegungen zu einem nuklearen disarming strike jedoch eher den Status einer Paranoia, die das enorme Ausmaß der sie begleitenden militärstrategischen Hybris überdeckt. Es ist jedoch nüchtern betrachtet völlig unverständlich, dass die immensen Risiken für ‚Kollateralschäden’ in Deutschland und Europa, wie auch im Rest der Welt, in der öffentlichen Debatte so stark bagatellisiert bzw. oft sogar gleich ganz ignoriert werden können. Die potenziellen Opfer eines Nuklearkriegs in Europa sind zwar im Endeffekt zu einer passiven Zuschauerrolle im great game der Nuklearmächte verdammt, aber sie haben in Deutschland aufgrund ihrer juristischen Eigenschaft als Teilhaber des Souveräns im Sinne des deutschen Grundgesetzes zumindest das Recht, die dramatischen Risiken einer immer weiter gehenden militärischen Eskalation des Krieges in der Ukraine unter Berücksichtigung aller (!) verfügbaren Informationen sachlich zu diskutieren. Und aus diesem Grundrecht wird nicht zuletzt deswegen ein Gebot, weil die weltanschaulich – und willkürlich – motivierte Engführung der öffentlichen Debatte durch unangemessene Diffamierungen kritischer Stimmen als russische Propaganda einerseits und moralisierende Tabuisierungen höchst prekärer Sachverhalte andererseits an die rhetorische Frage von Erich Fromm anno 1965 erinnert: ‚Sind wir geistig noch gesund?’ [...]"
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Siehe auch:
Buchempfehlung (16.12.2023)
Wahrheitssuche im Ukraine-Krieg – Um was es wirklich geht
Von Thomas Mayer
Herbst 2023, © Thomas Mayer, c/o JENBACHMEDIA, Raubling
ISBN 978-3-89060-863-1
https://afsaneyebahar.com/2023/12/16/20697540/
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Putin
Herr des Geschehens?
Von Jacques Baud
Erste Auflage 2023, Westend Verlag GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-86489-426-8
https://afsaneyebahar.com/2023/07/19/20696091/
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Das Ukraine Kartell
Das Doppelspiel um einen Krieg und die Millionen-Geschäfte der Familie des US-Präsidenten Biden
Von Thomas Röper
Erste Auflage 2023, Verlag Nestor Media; Tiflis.Budapest.Sofia.Bukarest
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