"[...] Weihnachten ist keine westliche Geschichte
So meldete sich der evangelische Pfarrer Munther Isaac aus Ramallah am Heiligen Abend zu Wort. In einem Kommentar für Al Jazeera Englisch wurde er deutlich: Gerade zu Weihnachten sei „in den Vereinigten Staaten und Europa (…) oft von „westlichen christlichen Werten“ oder sogar von dem vagen Begriff der „jüdisch-christlichen Zivilisation“ die Rede. Die Ausdrücke seien so geläufig geworden, dass viele meinten, das Christentum sei eine westliche Religion und ein Ausdruck europäischer Kultur, Geschichte, Identität. „Das ist jedoch nicht der Fall“, so der Pastor weiter.
Das Christentum sei heute und immer eine Religion des Mittleren Ostens, Westasiens gewesen. Es stamme von Völkern, Sprachen und sozialen Strukturen ab, die mehr mit Palästina, Syrien, Libanon, Irak und Jordanien zu tun habe, „als alles, was man sich in Europa so vorstellt“. Selbst das Judentum sei ein Phänomen, das durch und durch aus dem Mittleren Osten stamme. Der Westen habe das Christentum bekommen, sei aber mit Sicherheit nicht dessen Ursprung.
Das bekannte Weihnachtslied „Stille Nacht“ verschleiere die wahre Geschichte, denn Jesus sei nicht in Ruhe geboren worden, sondern inmitten von Unruhen. „Er wurde unter militärischer Besatzung geboren, in eine Familie, die durch einen kaiserlichen Erlass vertrieben worden war, in einer Region, die unter dem Schatten der Gewalt lebte. Die heilige Familie war gezwungen, als Flüchtlinge zu fliehen, weil die Kinder von Bethlehem laut der Erzählung im Evangelium von einem furchterregenden Tyrannen massakriert wurden, der entschlossen war, seine Herrschaft zu erhalten. Kommt Ihnen das bekannt vor?“
Weihnachten sei eine Geschichte von Herrschaft, Ungerechtigkeit und von dem Leid und der Verletzlichkeit einfacher Menschen, die darin gefangen seien, so Pastor Isaac weiter. Bethlehem sei heute von Mauern und Kontrollpunkten umgeben, die von einer Besatzungsmacht errichtet worden seien. Seine Bewohner lebten unter einem System der Apartheid und Spaltung. Die Menschen im Westen feierten Weihnachten, ohne sich um die Christen in Bethlehem zu kümmern. Und schlimmer noch, so der Pastor aus Ramallah: „Viele vertreten theologische und politische Ansichten, die unsere Präsenz völlig ausblenden oder ablehnen, um Israel, das Imperium von heute, zu unterstützen.“
In den letzten zwei Jahren habe man Weihnachten nicht feiern können, weil sich in Gaza ein Völkermord ereignet habe, so Pastor Isaac. Man habe nicht die Geburt von Jesus feiern können, „während Kinder seines Alters tot aus den Trümmern geborgen wurden“. Dass in diesem Jahr wieder gefeiert werde, bedeute nicht, dass der Krieg, der Völkermord oder die Apartheid-Strukturen ein Ende gefunden hätten. Menschen würden weiter getötet und belagert. Die Weihnachtsfeiern seien ein Akt der Standhaftigkeit, arabisch „Sumud“. Man sei da und werde bleiben.
Bethlehem sei keine Legende, sondern eine lebendige Stadt, wo die Menschen sich nach Gerechtigkeit sehnten, nach Würde und Frieden. „Sich an Bethlehem zu erinnern, bedeutet sich daran zu erinnern, dass Gott an der Seite der Unterdrückten steht – und diejenigen, die Jesus folgen, sind aufgerufen, dasselbe zu tun.“ "
Sumud – Standhaftigkeit im Heiligen Land
Von Karin Leukefeld
30.12.2025
(Red.) Die Weihnachtsgeschichte ist keine europäische Erfindung. Alle drei monotheistischen Religionen, das Judentum, der Islam und das Christentum, sind im heutigen Nahen Osten entstanden. Es gibt keinen Grund, warum Palästina allein den Juden gehören sollte. Ein Blick zurück in die Geschichte – und ein aktueller Blick, wie Israel immer mehr von Palästina für sich allein beansprucht. (cm)
Ein „Weihnachten voller Licht nach zwei Jahren der Dunkelheit“ sollte am 24. Dezember 2025 in Bethlehem gefeiert werden. Aufgerufen hatte Kardinal Pierbattista Pizzaballa, der Lateinische Patriarch von Jerusalem. Der Franziskanermönch ist der ranghöchste katholische Vertreter im Heiligen Land, wo heute verschiedene Länder liegen. Pizzaballa ist offiziell im Auftrag des Vatikans zuständig für Palästina, Israel, Jordanien und Zypern.
Die Christen der anderen Länder der Region gehören verschiedenen Kirchen an, die sich als „Ostkirchen“ zumeist im „Middle East Council of Churches“ (MECC) zusammengeschlossen haben und dem Vatikan eher distanziert gegenüberstehen. Diese christlichen Gemeinden sind armenisch, orthodox, katholisch, lateinisch und einige sind auch miteinander verbunden. Besonders groß ist die Vielfalt der christlichen Kirchen im Irak und in Syrien. Letzteres gilt als „Wiege des Christentums“, wo man in Maalula noch aramäisch spricht, die Sprache von Jesus Christus. Wo in Damaskus aus Saulus, dem jüdischen Pharisäer und römischen Bürger, der Jagd auf Christen machte, Paulus wurde, einer der ersten, der Jesus als Jünger folgte. Ihm soll in Damaskus Jesus erschienen sein, woraufhin er sein Leben änderte.
Weiterlesen: https://globalbridge.ch/sumud-standhaftigkeit-im-heiligen-land/
PDF: KL30.12.2025
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Siehe auch:
Ein Tag der Schande!
Wie weiter in den besetzten palästinensischen Gebieten?
Von Karin Leukefeld
26.12.2025
https://afsaneyebahar.com/2025/12/27/20705803/
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Warten auf den Messias
Florian Rötzer im Gespräch mit Moshe Zuckermann, dem israelisch-deutschen Soziologen und emeritierter Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität Tel Aviv
Überarbeitetes Transkript des Gesprächs vom 4.11.2025
29.12.202
https://afsaneyebahar.com/2025/12/29/20705811/
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Vor unseren Augen
(5.12.2025)
Gefördert von verlogen Trauernden
wuchert eine grausige Leere
in diesem bald berstenden Land
Hohle Worte steigen auf wie Seifenblasen
glänzen und zerplatzen
In diesem augenscheinlich makabren Zustand
sehe ich tausend schöpferische Vulkane
begreife die Blumen unter der Schneedecke
und singe das Lied des lichten Lebens
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https://afsaneyebahar.com/2025/12/19/20705711/

Foto von Herrn Mohsen Daschti