Wir sind keine geborenen Krieger. Zu psychosozialen Voraussetzungen von Friedfertigkeit und „Kriegstüchtigkeit“. Von Andreas Peglau (14.5.2025)



„[…] Die Behauptung, Menschen führten schon immer Krieg, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage, ist unseriös und irreführend. […]

[…] Die Frage, ob wir „geborene Krieger“ sind, ob „Kriegstüchtigkeit“ zur menschlichen Natur gehört, lässt sich wissenschaftlich sehr wohl untersuchen – und mit einem klaren NEIN beantworten. […]

[…] Bleibt die Frage: Was muss geschehen, damit Menschen wieder so friedfertig WERDEN, wie sie offenbar zur Welt kommen – oder, noch besser: damit sie gleich so friedfertig BLEIBEN können?

Weil ich mich dazu schon vielfach geäußert habe,97 will ich mich sehr kurzfassen.

Wir brauchen nach wie vor eine Umwälzung der ökonomischen und politischen Verhältnisse, einen Ausstieg aus unserer immer destruktiver werdenden, neoliberal-kapitalistischen Gesellschaftsstruktur.

Das allein genügt jedoch nicht, wie insbesondere das letztlich missglückte Experiment des „realen Sozialismus“ gezeigt hat. Hinzukommen muss eine psychosoziale Revolution.

Den dahinter liegenden Zusammenhang hat Wilhelm Reich 1934 auf den Punkt gebracht: „Versucht man die Struktur der Menschen allein zu ändern, so widerstrebt die Gesellschaft. Versucht man die Gesellschaft allein zu ändern, so widerstreben die Menschen. Das zeigt, dass keines für sich allein verändert werden kann.“98

Für unsere Gegenwart ließe sich das so konkretisieren: Erwachsene sollten – nicht zuletzt unter Nutzung psychotherapeutischen Wissens – an ihren herbeisozialisierten seelischen Störungen arbeiten und zugleich dafür sorgen, dass ihren Kindern und Enkeln erspart bleibt, diese Störungen überhaupt erst auszubilden.

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz brachte – unter anderem in seinem Buch Der Gefühlsstau99– ein entsprechendes Konzept der „therapeutischen Kultur“ in die DDR-Wende ein und hat es inzwischen zur „Beziehungskultur“100 weiterentwickelt.

Kinder liebevoll ins Leben zu begleiten, aktiv nach guten und gleichberechtigten Partnerschaften, erfüllter Sexualität und psychischer Gesundheit zu streben, privat und öffentlich autoritärlebensfeindliche oder gar zum Krieg hetzende Normen in Familie, Schule, Beruf, Medien, Kirche, Politik und Staat anzuprangern und nach Gleichgesinnten zu suchen, mit denen sich dagegen Widerstand leisten lässt – das hat seither noch an Bedeutung und Brisanz gewonnen.101

Die prägnanteste Beschreibung des langfristigen Ziels solcher Bemühungen stammt von Erich Fromm: eine „gesunde Gesellschaft“, „in der sich niemand mehr bedroht fühlen muss: nicht das Kind durch die Eltern; nicht die Eltern durch die über ihnen Stehenden; keine soziale Klasse durch eine andere; keine Nation durch eine Supermacht“.102

 

Wir sind keine geborenen Krieger. Zu psychosozialen Voraussetzungen von Friedfertigkeit und „Kriegstüchtigkeit“

Von Andreas Peglau

14.5.2025

Am 30.6.2023 hielt Dr. Andreas Peglau innerhalb der Vorlesungsreihe „Psychologische Anthropologie: Militarismus und Krieg“ an der Universität zu Köln einen Vortrag, dessen bearbeitete Manuskript unter dem Titel „Sind wir geborene Krieger? Zu psychosozialen Voraussetzungen von Friedfertigkeit und Destruktivität“ veröffentlicht wurde (1, 2, 3).

Der produktive Austausch des Autors mit dem Prähistoriker und Kulturwissenschaftler Martin Kuckenburg hat wesentlich dazu beigetragen, den Text zu aktualisieren. Diese neue Fassung wird in gekürzter Form am 17. und 21. Mai 2025 bei MANOVA erscheinen und kann in ungekürzter Form unter den folgenden Links gelesen werden:

https://andreas-peglau-psychoanalyse.de/wir-sind-keine-geborenen-krieger-zu-psychosozialen-voraussetzungen-von-friedfertigkeit-und-kriegstuechtigkeit/

Als PDF-Datei:

Klicke, um auf Andreas-Peglau-Keine-geborenen-Krieger-14-5-25.pdf zuzugreifen

oder

AP14.5.2025

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Siehe auch:

Lebensbejahend – lebensfeindlich – Eine Alternative zur „links-rechts“-Einteilung

Von Andreas Peglau

26.4.2025

https://afsaneyebahar.com/2025/04/27/20703851/

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„Psychisch gesunde Menschen wollen keinen Krieg“

Jens Lehrich im Gespräch mit dem Psychoanalytiker Dr. Andreas Peglau

15.4.2025

https://afsaneyebahar.com/2025/04/25/20703838/

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Weitere Schriften von Andreas Peglau

https://andreas-peglau-psychoanalyse.de/

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