Lebensbejahend – lebensfeindlich – Eine Alternative zur „links-rechts“-Einteilung. Von Andreas Peglau (26.4.2025)

„[…] In der 1946 erschienenen, stark veränderten Neuauflage seiner „Massenpsychologie des Faschismus“ zog er [Wilhem Reich] – nun basierend auch auf den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs – die Bilanz:

„Der Faschismus wird (…), infolge des politischen Fehldenkens, als eine spezifische Nationaleigenschaft der Deutschen oder Japaner aufgefasst. (…) Meine charakteranalytischen Erfahrungen überzeugten mich dagegen, dass es heute keinen einzigen lebenden Menschen gibt, der nicht in seiner Struktur die Elemente des faschistischen Fühlens und Denkens trüge. Demzufolge gibt es einen deutschen, italienischen, spanischen, anglosächsischen, jüdischen und arabischen Faschismus. Man kann den faschistischen Amokläufer nicht unschädlich machen, wenn man ihn, je nach politischer Konjunktur, nur im Deutschen oder Italiener und nicht auch im Amerikaner und Chinesen sucht; wenn man ihn nicht in sich selbst aufspürt, wenn man nicht die sozialen Institutionen kennt, die ihn täglich ausbrüten.“(22)

Es wäre eine naive und gefährliche Illusion, zu glauben, diese sozialen Institutionen hätten aufgehört, zu existieren."

Lebensbejahend – lebensfeindlich – Eine Alternative zur „links-rechts“-Einteilung

Von Andreas Peglau

26.4.2025

 

Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.

(Goethe, FAUST, Teil 1)

Die Frage, was „rechts“ ist, hat ohne die Annahme einer „linken“ Position keinen Sinn. Aber woher stammen diese Benennungen?

Ursprünge

Die politische „Links-Rechts“-Einteilung(1) geht zurück auf die französische Nationalversammlung von 1789:(2) Wenn man von vorn auf die dortige Szenerie mit dem König in der Mitte schaute, saßen die eher antimonarchistischen Oppositionellen linkerhand, die konservativeren, eher Königstreuen rechterhand. Diese Sitzordnung orientierte sich an den räumlichen Gegebenheiten des britischen Unterhauses, war also keine französische Erfindung.

Allerdings waren die Links-Sitzenden keine Sozialisten oder Kommunisten, sondern vorwiegend Angehörige des Bürgertums, die wiederum äußerst unterschiedliche politische Orientierungen vertraten. Die 1.315, durchweg männlichen Deputierten der Nationalversammlung setzten sich insgesamt so zusammen: „25 % von ihnen waren Angehörige des Klerus, 18 % gehörten zum Militär (in erster Linie Adelige), 40 % waren Juristen oder Träger von öffentlichen Ämtern, 7 % der Deputierten waren Unternehmer; unterrepräsentiert waren die Deputierten vom Land; das einfache Volk der Städte fehlte gänzlich.“(3) Im weiteren Verlauf der französischen bürgerlichen Revolution verwischten sich die Grenzen zwischen Links- und Rechts-Sitzenden. Die ehemals Oppositionellen spalteten sich auf in verfeindete Gruppen, die darum wetteiferten, wer die anderen zuerst auf die Guillotine schicken konnte. Insgesamt wurden auf der Grundlage ihrer Beschlüsse etwa 50.000 Menschen hingerichtet.(4)

Obwohl sie sich für „Menschenrechte“ engagierten, lag es den Deputierten fern, diese Rechte dem weiblichen Teil der Bevölkerung zuzusprechen. Nicht zuletzt, weil sie dies durch eine „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ ändern wollte, wurde Olympe de Gouges 1793 vom Revolutionstribunal zum Tode verurteilt und geköpft: „Man empfand“ ihr Engagement als „eine unerwünschte Einmischung in die den Männern vorbehaltene Politik.“(5) Bei der anfänglichen „Links-Rechts“-Einteilung war „links“ also keineswegs pauschal gleichzusetzen mit fortschrittlich, humanistisch, solidarisch, demokratisch, emanzipatorisch oder „gut“. Die politischen Einstellungen und Entscheidungen derjenigen, die seither als Urbilder des „Links“-Seins gelten, wichen somit deutlich ab vom Selbstverständnis der meisten heutigen „Linken“.

Weiterlesen: https://apolut.net/lebensbejahend-lebensfeindlich-eine-alternative-zur-links-rechts-einteilung/

PDF: AP26.4.2025

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Siehe auch:

Vom Nicht-Veralten des „autoritären Charakters“.

Wilhelm Reich, Erich Fromm und die Rechtsextremismusforschung

Von Andreas Peglau

In: Sozial.Geschichte Online / Heft 22 / 2018

https://duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00045936

PDF:

https://duepublico2.uni-due.de/servlets/MCRFileNodeServlet/duepublico_derivate_00045266/05_Peglau_Autoritarismus.pdf

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„Psychisch gesunde Menschen wollen keinen Krieg“

Jens Lehrich im Gespräch mit dem Psychoanalytiker Dr. Andreas Peglau

15.4.2025

https://afsaneyebahar.com/2025/04/25/20703838/

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Weitere Schriften von Andreas Peglau

https://andreas-peglau-psychoanalyse.de/

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