„[…] Politische Sprache, so wie Politiker sie gebrauchen, wagt sich auf keines dieser Gebiete, weil die Mehrheit der Politiker, nach den uns vorliegenden Beweisen, an der Wahrheit kein Interesse hat sondern nur an der Macht und am Erhalt dieser Macht. Damit diese Macht erhalten bleibt, ist es unabdingbar, dass die Menschen unwissend bleiben, dass sie in Unkenntnis der Wahrheit leben, sogar der Wahrheit ihres eigenen Lebens. Es umgibt uns deshalb ein weitverzweigtes Lügengespinst, von dem wir uns nähren. […] […] Es ist nie passiert. Nichts ist jemals passiert. Sogar als es passierte, passierte es nicht. Es spielte keine Rolle. Es interessierte niemand. Die Verbrechen der Vereinigten Staaten waren systematisch, konstant, infam, unbarmherzig, aber nur sehr wenige Menschen haben wirklich darüber gesprochen. Das muss man Amerika lassen. Es hat weltweit eine ziemlich kühl operierende Machtmanipulation betrieben, und sich dabei als Streiter für das universelle Gute gebärdet. Ein glänzender, sogar geistreicher, äußerst erfolgreicher Hypnoseakt. […] […] Blicken wir in einen Spiegel, dann halten wir das Bild, das uns daraus entgegensieht, für akkurat. Aber bewegt man sich nur einen Millimeter, verändert sich das Bild. Wir sehen im Grunde eine endlose Reihe von Spiegelungen. Aber manchmal muss ein Schriftsteller den Spiegel zerschlagen – denn von der anderen Seite dieses Spiegels blickt uns die Wahrheit ins Auge. Ich glaube, dass den existierenden, kolossalen Widrigkeiten zum Trotz die unerschrockene, unbeirrbare, heftige intellektuelle Entschlossenheit, als Bürger die wirkliche Wahrheit unseres Lebens und unserer Gesellschaften zu bestimmen, eine ausschlaggebende Verpflichtung darstellt, die uns allen zufällt. Sie ist in der Tat zwingend notwendig. Wenn sich diese Entschlossenheit nicht in unserer politischen Vision verkörpert, bleiben wir bar jeder Hoffnung, das wiederherzustellen, was wir schon fast verloren haben – die Würde des Menschen.“ Harold Pinter; 2005
Zur Erinnerung: Zwei Reden des Nobelpreisträgers für Literatur 2005 Harold Pinter
Rainer Mausfeld, Professor an der Universität Kiel und bis zu seiner Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls für Wahrnehmung- und Kognitionsforschung, hat am 21.11.2024 einen besonders aufschlussreichen Vortrag in Neu-Isenburg gehalten. Der Vortrag besteht aus zwei Teilen: Das Recht als Schutzinstrument gegen Bürgerkrieg und Krieg und Rechtsverachtung und Rechtsnihilismus des Stärkeren. In seinem Vortrag wird auch Harold Pinter erwähnt.
Harold Pinter (10.10.1930 – 24.12.2008) war Dramatiker, Regisseur, Schauspieler, Dichter und politischer Aktivist. 2005 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Seine entsprechende Rede wurde am 7.12.2005 von der Schwedischen Akademie veröffentlicht.
Zur Erinnerung werden zwei Texte von Harold Pinter hier veröffentlicht.
Nobelvorlesung: Kunst, Wahrheit & Politik
Von Harold Pinter
(Dezember 2005)
1958 schrieb ich folgendes:
„Es gibt keine klaren Unterschiede zwischen dem, was wirklich und dem was unwirklich ist, genauso wenig wie zwischen dem, was wahr und dem was unwahr ist. Etwas ist nicht unbedingt entweder wahr oder unwahr; es kann beides sein, wahr und unwahr.“
Ich halte diese Behauptungen immer noch für plausibel und weiterhin gültig für die Erforschung der Wirklichkeit durch die Kunst. Als Autor halte ich mich daran, aber als Bürger kann ich das nicht. Als Bürger muss ich fragen: Was ist wahr? Was ist unwahr?
Weiterlesen: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Friedenspreise/nobel-lit-pinter.html
PDF: HP2005
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Der Krieg gegen die Vernunft
Von Harold Pinter
(2002)
Es gibt eine alte Geschichte über Oliver Cromwell. Nachdem er die irische Stadt Drogheda eingenommen hatte, wurden die Bewohner auf den größten Platz gebracht. Cromwell befahl seinen Stellvertretern: „OK! Tötet alle Frauen und vergewaltigt alle Männer!“ Einer seiner Adjutanten sagte daraufhin: „Entschuldigung, General. Muss es genau umgekehrt heißen?“ Eine Stimme aus der Menge rief: „Mr. Cromwell weiß, was er tut.“
Diese Stimme ist die Stimme von Tony Blair. – „Mr. Bush weiß, was er tut.“
Tatsache ist, dass Mr. Bush und seine Bande wissen, was sie tun und Blair, wenn er nicht wirklich der arme Irre ist, als der oft erscheint, weiß auch, was sie tun. Bush und Co haben, ganz simpel ausgedrückt, fest vor, die Welt und die Bodenschätze der Welt zu kontrollieren. Und es ist ihnen egal, wie viele Menschen sie auf diesem Weg umbringen. Und Blair ist an ihrer Seite.
Weiterlesen: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Friedenspreise/nobel-literatur-pinter.html
PDF: HP2002
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