„[Wilhelm] Reich schlussfolgerte: Wer Faschismus langfristig verhindern wolle, der müsse nicht nur die NSDAP und Hitler bekämpfen, sondern darüber hinaus die gesamte patriarchal-autoritäre Sozialisation, die faschistische Entgleisungen erst ermöglicht, indem sie massenhaft destruktive Charakterstrukturen produziert. Einen dauerhaften Schutz vor solchen Entgleisungen ohne psychologisch-psychoanalytisches Verständnis gesellschaftlicher Prozesse, ohne gravierende Umwälzungen nicht nur in Wirtschaft, Politik, Kultur sondern auch in Erziehung, Bildung und Sexualität hielt er nicht mehr für denkbar. In der 1946 erschienenen, dritten Auflage seiner „Massenpsychologie des Faschismus“ zog er – nun basierend auch auf den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs – die Bilanz: „Der Faschismus wird (…), infolge des politischen Fehldenkens, als eine spezifische Nationaleigenschaft der Deutschen oder Japaner aufgefasst. (…) Meine charakteranalytischen Erfahrungen überzeugten mich dagegen, dass es heute keinen einzigen lebenden Menschen gibt, der nicht in seiner Struktur die Elemente des faschistischen Fühlens und Denkens trüge. Demzufolge gibt es einen deutschen, italienischen, spanischen, anglosächsischen, jüdischen und arabischen Faschismus. Man kann den faschistischen Amokläufer nicht unschädlich machen, wenn man ihn, je nach politischer Konjunktur, nur im Deutschen oder Italiener und nicht auch im Amerikaner und Chinesen sucht; wenn man ihn nicht in sich selbst aufspürt, wenn man nicht die sozialen Institutionen kennt, die ihn täglich ausbrüten.“ Es wäre eine naive und gefährliche Illusion, zu glauben, diese sozialen Institutionen hätten aufgehört, zu existieren.“
Was ist die Rechte? Was ist Faschismus? – ein Diskussionsbeitrag
Von Andreas Peglau
Zum 28.11.24 lud Platypus ein ins Rudi-Dutschke-Plenarium der TU Berlin zur Veranstaltung „Was ist die Rechte? Was ist Faschismus?“ Den folgenden Text habe ich dort verlesen.
Aussagen darüber, was „die Rechte“ ist, sind untrennbar mit der Frage verbunden, was „rechts“ ist. Und das wiederum damit, was „links“ ist. Denn ohne die Annahme einer linken Position hat es keinen Sinn, von einer rechten Position zu sprechen.
Die Worte „rechts“ und „links“ beschreiben allerdings Orientierungen im Raum. Sie bilden nicht schon von sich aus einen politischen Inhalt ab. Deshalb besteht die Möglichkeit, diese Worte mit unterschiedlichem Inhalt zu verknüpfen. Genau das geschieht.
Einige Beispiele: Die Entwicklung der BRD seit 2020 wird vielfach als faschistoid, also rechtsextrem wahrgenommen. Andere behaupten, hier entstünde gerade eine „links-versiffte“ DDR 2.0. In den USA ist es – zumindest unter Republikanern – üblich geworden, die weltweit Krieg und Terror verbreitenden Demokraten als „links“ zu bezeichnen und Kamala Harris als Kommunistin. Klaus Schwab, der Chef jenes Weltwirtschaftsforums, das die Errichtung einer neoliberalen Weltregierung anstrebt, wird von manchen als technokratischer Faschist eingeordnet – von anderen jedoch als „der neue Karl Marx“. Was ebenfalls als Beschimpfung gemeint ist. Am Montag wurde in der linken Tageszeitung junge Welt die aktuelle Cancel cultur so kommentiert: „Linke Aktivisten, die nicht regelmäßig als Rechte, Schwurbler, (…), Antisemiten, Terrorunterstützer, Hassprediger oder Verschwörungsideologen tituliert werden, nehme ich persönlich schon gar nicht mehr ernst.“ Zitat Ende.
Das Problem ist: Politische Zuordnungen zu links oder rechts lassen sich weder eindeutig beweisen noch widerlegen. Zum einen, weil diese Kategorien nicht eindeutig definierbar sind. Zum anderen, weil die gesellschaftliche Realität viel zu komplex ist, um in diese Schubladen hineinzupassen.
Weiterlesen: https://andreas-peglau-psychoanalyse.de/was-ist-die-rechte-was-ist-faschismus-ein-diskussionsbeitrag/
PDF: AP28.11.2024
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