„Betonköpfe aus Washington Entwicklungen von komplexen Systemen wie neuen Mittelstreckenraketen sind nicht das Ergebnis einer Laune von Staats- oder Regierungschefs, im konkreten Fall der Oreshnik nicht von Präsident Putin, sondern Ausdruck langjähriger konzeptioneller Arbeit. Der Grundstein dazu wurde in den Achtzigerjahren gelegt, als der sowjetische Generalstabschef Marschall Nikolai V. Ogarkov zunehmend die Bedeutung der nuklearen Abschreckung in Zweifel zu ziehen begann, weil er zur Erkenntnis gekommen war, dass ein politischer Sieg in einem Atomkrieg unmöglich sei und auch begrenzte nukleare Optionen als praktisch unmöglich beurteilte. Deshalb sind auch Präsident Putins Aussagen über Atomkriege nichts Neues aus Moskau. Das stellt einen Kontrast zur Strategie der nuklearen Abschreckung dar, welche im Kern Selbstverteidigung durch Selbstmord beinhaltet und wieder fröhliche Urständ feiert. Gerade in diesen Tagen vertrat der Direktor der strategischen Planungsabteilung der US-Regierung, Konteradmiral Thomas Buchanan, die Auffassung, die USA müssten Kernwaffen einsetzen, um ihre globale Vormachtstellung zu wahren; er ist in seinem Denken offensichtlich 45 Jahre zurückgeblieben (16). Und offenbar kann Buchanan mit dem Gedanken an einen Atomkrieg durchaus leben – vorausgesetzt, dieser findet in Europa statt. Russlands Oreshnik ist kein kurzlebiges Feuerwerk – da könnte mehr dahinterstecken, als man im Westen derzeit glaubt. Sollte man im Westen aber der Meinung sein, der in Dnipro angerichtete Schaden reiche als Warnung nicht aus, dann kann man auch einmal schauen, ob Putin in seinem Arsenal einen stärkeren Gefechtskopf findet (17). Ogarkov glaubte auch nicht, dass ein Krieg zwischen Atommächten konventionell bleiben könne. Deshalb begann er die Notwendigkeit nicht-nuklearer strategischer Abschreckung zu betonen. In seinen Veröffentlichungen stellte Ogarkov immer wieder die Stabilität konventioneller Konflikte der angeborenen Instabilität der nuklearen Kriegsführung gegenüber. Deshalb vertrat er die Auffassung, dass man auf hochpräzise nicht-nukleare Waffen und moderne Operationsführungssysteme setzen sollte. Sein späterer Nachfolger in der Funktion des Generalstabschefs, Sergey F. Akhromeyev, vertrat ähnliche Ansichten und gehörte mit zu den Architekten des INF-Vertrags. In zukünftigen Kriegen, so war Ogarkov überzeugt, würde derjenige gewinnen, der über hochpräzise nicht-nukleare Systeme verfügt. Ihr Einsatz würde dazu beitragen, menschliche Verluste zu minimieren, gleichzeitig aber auch die militärische Infrastruktur des wahrscheinlichen Gegners erfolgreich auszuschalten und ihn zur Kapitulation zu zwingen. Der bisherige Verlauf des Krieges in der Ukraine legt die Vermutung nahe, dass Ogarkovs vierzigjährige Ansichten umgesetzt werden. Eine moderne Armee müsse in der Lage sein, die Voraussetzungen für die Beendigung des Konflikts zu schaffen, bevor dieser zum umfassenden Einsatz von Atomwaffen übergeht, war eine andere Forderung Ogarkovs. Ob das gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen (18).“
Betonköpfe und Propagandisten am Hebel europäischer Sicherheit
Nach dem Einsatz der bis dahin kaum bekannten „Oreshnik“-Rakete gegen ein Industrieziel in Dnipro (1) beeilten sich manche westlichen Medien zu erklären, Hyperschallwaffen seien nutzlos und die Drohung mit ihnen ein Bluff (2). Und die Ukraine behauptete, diese Waffen abschießen zu können. Setzt sich die Erkenntnis aber irgendwann durch, dass mit solchen Behauptungen nicht viel zu gewinnen ist? Nachrichten aus den USA lassen diesen Schluss vorerst eher nicht zu.
Von Ralph Bosshard *
14.12.2024
Präsident Putin hat in seinen öffentlichen Auftritten nur sehr summarische Informationen über die „Oreshnik“-Rakete abgegeben, aber eine Abschätzung der Plausibilität seiner Angaben und jener der Ukraine ist möglich (3). Dem Abschuss von ballistischen Raketen sind schon rein von der Physik her sehr enge Grenzen gesetzt.
Schwarz-Peter-Spiel
Mit der Oreshnik hat Russland keine bahnbrechende neue Rakete erfunden, sondern alte Muster weiterentwickelt. Das macht Sinn, wenn man die Kosten für Neuentwicklungen komplexer Waffensysteme einberechnet und weiß, wieviel Zeit vergehen kann, bis neue Muster wie gewünscht funktionieren. Das Know-How für den Bau von ballistischen Mittelstreckenraketen war in Russland noch aus Sowjetzeiten vorhanden und die Verwendung von Systemkomponenten anderer Raketen steigert die Effizienz nicht nur beim Bau, sondern auch im täglichen Betrieb von so gut wie jedem beliebigen Waffensystem (4). Ob Russland die Entwicklung der Oreshnik-Rakete schon vor der Kündigung des Abkommens über nukleare Mittelstreckenwaffen INF begann, ist folglich eine akademische Frage mit einem ausgedehnten Graubereich.
Bei der Kündigung des INF-Abkommens durch die USA spielten die neuen globalen Machtverhältnisse bestimmt eine Rolle, denn solange der INF-Vertrag in Kraft war, durften die USA keine Mittelstreckenraketen bauen, das neu als Gegner identifizierte China hingegen schon (5). Um nicht zum Schluss den Schwarzen Peter in der Hand zu haben, mussten die Amerikaner einfach die Diskussion so steuern, dass die Schuld für das Ende dieses wichtigen Regimes der Rüstungskontrolle Russland in die Schuhe geschoben werden konnte. Die westliche Presse machte hierbei gerne mit.
Weiterlesen: https://globalbridge.ch/betonkoepfe-und-propagandisten-am-hebel-europaeischer-sicherheit/
PDF: RB14.12.2024
* Ralph Bosshard, Oberstleutnant iG., war Berufsoffizier der Schweizer Armee, u.a. Ausbilder an der Generalstabsschule und Chef der Operationsplanung im Führungsstab der Armee. Nach der Ausbildung an der Generalstabs-Akademie der russischen Armee in Moskau diente er als militärischer Sonderberater des Ständigen Vertreters der Schweiz bei der OSZE, als Senior Planning Officer in der Special Monitoring Mission to Ukraine und als Operationsoffizier in der Hochrangigen Planungsgruppe der OSZE. Zivilberuflich ist Ralph Bosshard Historiker (Magister, Universität Zürich). Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?gastautor=79224
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Siehe auch:
„Zeit für Kriegsmentalität“
NATO-Generalsekretär hält Krieg zwischen dem westlichen Militärbündnis und Russland in vier bis fünf Jahren für möglich und fordert massive Aufrüstung. Berlin legt Industriestrategie dafür vor, verlangt weltweite Einsatzfähigkeit.
Von German-Foreign-Policy.com
16.12.2024
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9801
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Verteidigungsministeriums: Der Plan für 2025 ist Russlands Sieg
Bei der Arbeitstagung der Führungsebene des russischen Verteidigungsministeriums zogen Russlands Präsident Wladimir Putin und der Verteidigungsminister Andrei Beloussow Bilanz des zurückliegenden Jahres und gaben Aussicht auf Pläne und Herausforderungen der kommenden Jahre.
16.12.2024
PDF: RT16.12.2024
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NATO-Generalsekretär Mark Rutte: Die Rüstungsindustrie soll mehr Geld erhalten!
Ex-Generalsekretär Jens Stoltenberg liebte den Krieg. Zu seinen Plänen gehörte, die Regeln der NATO – insbesondere §5 – bis 2030 so zu ändern, dass die NATO nicht nur im Falle eines militärischen Angriffs auf ein NATO-Land militärisch reagieren kann und soll, sondern schon präventiv – vorbeugend! Und wie denkt der neue Generalsekretär der NATO, Mark Rutte? In einem einstündigen Referat in Brüssel forderte er die NATO-Länder auf, statt nur in die Sozialsysteme und in das Gesundheitswesen zu investieren, mehr Geld in die Rüstungsindustrie zu stecken! – Die NATO ist und bleibt damit ein Club von aggressiven Kriegstreibern: Nur Investitionen in die Kriegsmaschinerie könne den Frieden bringen, so ihre Politik!
Von Christian Müller
15.12.2024
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Hat Viktor Orban bei seiner Mission in Mar-al-Lago in der vergangenen Woche etwas erreicht?
Von Gilbert Doctorow
15.12.2024
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Nukleares Armageddon: Die unmittelbaren und längerfristigen Auswirkungen eines möglichen Atomkriegs
Zu einem nuklearen Schlagabtausch, zum Beispiel durch eine weitere Eskalation im Ukraine-Krieg, aus dem sich ein nukleares Inferno entwickeln kann, darf es nicht kommen. Wie viele Menschen an den Folgen eines Atomkriegs sterben würden, haben Wissenschaftler in verschiedenen Szenarien akribisch untersucht. Von Klaus-Dieter Kolenda.
Von Klaus-Dieter Kolenda
14.12.2024
https://afsaneyebahar.com/2024/12/15/20703311/
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Mit Krieg und Zerstörung zur globalen Herrschaft
Deutschland: Startrampe und Drehscheibe für den Krieg gegen Russland
Syrien/Nah-Ost: Sprungbrett für den kommenden Konflikt mit China
Von Wolfgang Effenberger
13.12.2024
https://afsaneyebahar.com/2024/12/13/20703276/
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