„[…] Die Tatsache, dass Elend der einen als Basis für Wohlstand der anderen in der Menschenrechtserklärung von 1789 zwar nicht ihre Wurzeln hat, aber von ihr als universell legitimiert wurde, spielt für das bürgerliche Welt- und Gesellschaftsbild keine Rolle: Mit ihrer philosophischen Rechtfertigung und ihrer praktischen Umsetzung begann der Prozess, der die realitätsverzerrende Bigotterie in Denken und im Alltag der westlichen Welt einzementiert hat. Sie hat sich als Epizentrum der bürgerlichen Selbsttäuschung etabliert, der Verleugnung der kolonialistischen, imperialistischen, rassistischen Fundamente ihrer Gemeinwesen. Der Zusammenhang zwischen der Vernutzung menschlichen Lebens im Süden und vorgeblich menschenrechtsbasiertem Zusammenleben im Norden wird vom bürgerlichen Bewusstsein und Selbstbewusstsein konsequent und fast lückenlos abgespalten. In die alltägliche Geschäftigkeit und Konsumfülle des Lebens dringen deren makabre Grundlagen, die für einen großen Teil der Menschheit bittere Alltagserfahrung sind, nicht vor.[…]“ „[…] Der Rassismus, dem sich dieses Elend und dieses Leiden verdanken, belegt empirisch, dass es ein „Ende der Kolonialzeit“ – von Historikern nach dem 2. Weltkrieg zeitlich verortet – nicht wirklich gegeben hat, sie ging nahtlos über in die neo-kolonialistische Ausraubung des globalen Südens durch den globalen Norden. Absurd an dieser Geschichte ist nicht, dass sie noch im Jahre 2024 so zutreffend ist, wie sie es 1492 war, als Christoph Columbus aufbrach, um die Neue Welt zu entdecken, sondern dass ihre Wahrheit erst im 20. und 21. Jahrhundert wirklich zu einer geworden ist, als der europäische und der nordamerikanische Kontinent die kolonialistisch-imperialistischen Feldzüge gen Süden explizit zu einem tragenden Pfeiler ihrer politisch-ökonomischen Existenz haben werden lassen, wo sie ihr rassistisches Weltbild unbeirrt weiter ganz praktisch bestätigen.[…]“ „[…] Der deutsche Staat, die deutsche Gesellschaft, haben sich positioniert, ihren Platz in der „Weltgemeinschaft“ gesucht und gefunden. Aus dem kolonialistischen, imperialistischen bürgerlichen Erbe mit rassistischer Kernsubstanz ist das neo-kolonialistische, neo-liberale Selbstverständnis mit rassistischer Kernsubstanz geworden, dessen Durchsetzung mit friedlichen, falls die nicht „fruchten“, mit unfriedlichen Mitteln den mitteleuropäischen Alltag kennzeichnet. Deutschland ist, darauf sind seine politischen und ökonomischen Schlüsselfiguren, wie sie gerne und oft betonen, stolz, in der Spur, die das bürgerlich-demokratische System in seiner neoliberalen, „wertorientierten“ Gestalt über den Globus zieht, und sie machen kein Hehl mehr daraus, dass sie seine Methode verstanden haben: Ausbeutung und Ausplünderung, Aufrüstung und Drohgebären und, wenn für die Durchsetzung der eigenen Interessen nötig: Krieg. […]“ „[…] Mitte, liberal, sozialdemokratisch, christlich-demokratisch, grün – diese selbstgewählten Etiketten mögen der selbstgerechten Ignoranz gegenüber den Beweggründen und den Folgen des eigenen Handelns genügen, das Grauen, das Elend, die Gewalt, das Leiden dahinter, also die dem bürgerlich-demokratischen System immanenten „Schadstoffe“, verbergen sie vor sich selbst, nicht vor der historischen Wahrheit und nicht vor ihren Opfern. Für die Eingangsthese wiegt die Last des historischen Geschehens schwer: Die Triebkräfte der europäischen Geschichte der letzten Jahrhunderte sind auch die der deutschen Nachkriegsgesellschaft, bis in die aktuelle Gegenwart hinein. In ihnen lebt und wirkt der gewöhnliche Faschismus.[…]“
Zur Debatte: ein Vorstoß in das zentrale Nervensystem der bürgerlichen Gesellschaft
Eine kurze Geschichte des gewöhnlichen Faschismus
Von Günter Rexilius
11.11.2024
Die „Rechtsentwicklung“ der letzten Jahre und Monate ernst zu nehmen muss heißen, nach ihren Wurzeln und Hintergründen zu fragen, ohne sich mit den Narrativen, die der politische und der mediale Mainstream verbreiten, zufrieden zu geben. Nach der Europawahl 2024 beklagten Politiker und viele Medien, auf der politischen Landkarte habe es bedrohliche Verschiebungen nach rechts gegeben, rechtsradikale Parteien würden immer mehr Zulauf bekommen und auch in Deutschland zu einer neuen faschistischen Gefahr werden. Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ließen die Mahnungen und Klagen lauter und eindringlicher werden. Gefahr für wen, für was? Auf diese Fragen sind die üblichen Antworten zu hören: Die Rechten gefährden das demokratische Gemeinwesen, die verfassungsmäßige Ordnung, das westliche Wertesystem, die Menschenrechte. Die Frage, wie der Erfolg der AfD – und anderer europäischer Parteien, die sich selbst als rechts oder rechtsaussen definieren, hier aber vernachlässig werden – mit gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen, allgemein und im Einzelnen, zusammenhängen könnte, wird selten gestellt, Antworten auf sie bleiben unbefriedigend.
Weiterlesen: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29314
PDF: GR11.11.2024
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Siehe auch:
Die Blackrock-Bourgeoisie
Im Manova-Exklusivgespräch diskutiert Walter van Rossum mit den Publizisten Ulrich Gausmann und Werner Rügemer sowie dem Philosoph Horst Müller darüber, wie sich die Klasse der Besitzenden der parlamentarischen Antastbarkeit entzogen hat.
Von Walter van Rossum
16.11.2024
https://afsaneyebahar.com/2024/11/16/20702740/
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Hybris und Nemesis
Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt – Einsichten aus 5000 Jahren
Von Rainer Mausfeld
November 2023
https://afsaneyebahar.com/2024/07/17/20700932/
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Menschen als Marionetten?
Wie Marx und Engels die reale Psyche in ihrer Lehre verdrängten
Von Andreas Peglau
Oktober 2024
https://afsaneyebahar.com/2024/10/17/20702285/
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Der Westen im Niedergang
Ökonomie, Kultur und Religion im freien Fall
Von Emmanuel Todd in Zusammenarbeit mit Baptiste Touverey
Oktober 2024
https://afsaneyebahar.com/2024/10/08/20702087/
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Nur durch Frieden bewahren wir uns selber
Die Bergpredigt als Zeitenwende
Von Eugen Drewermann
2023
https://afsaneyebahar.com/2023/10/31/20697044/
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