Kant-Rede von Wolfgang Effenberger,
gefolgt vom Musikvideo Aurora Pacis – Morgenröte des Weltfriedens,
vor dem Kant-Denkmal in Kaliningrad
22.4.2024
https://vimeo.com/943394001
22. April 2024: Immanuel Kants 300. Geburtstag
Von Wolfgang Effenberger
Mai 2024
Am 22. April 2024 wurde Immanuel Kants Wirken weltweit anlässlich seines 300. Geburtstags gewürdigt – eingeschränkt an seinem Geburtsort Königsberg, dem heutigen Kaliningrad. Vordergründig beherrschte Kant jedoch durchaus das Stadtbild.
Die “Deutsche Kant-Gesellschaft” wollte ursprünglich anlässlich des 300. Geburtstages von Kant ihren “14. Internationalen Kant-Kongress“ 2024 in Kaliningrad ausrichten.
Am 26. März 2024 war der Vorstand der Kant-Gesellschaft zusammengekommen, um zu beschließen, dass der Kongress in Kaliningrad abgesagt und der Kongress “Kants Projekt der Aufklärung” nun vom 8. bis 13. September 2024 in Bonn stattfinden soll. Begründet wurde die Absage mit dem „Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine“. Die Deutsche Kant-Gesellschaft erklärte sich „solidarisch mit den vielen Kant-Wissenschaftlern in der Ukraine und in Russland, die diesen Verstoß gegen das Völkerrecht ebenfalls verurteilen.“(1) Der russische Einmarsch erfolgte jedoch schon am 24. März 2022. Warum brauchte die Deutsche Kant-Gesellschaft über zwei Jahre, um diesen Entschluss zu fassen?
Kants Spätschrift “Zum Ewigen Frieden” hätte sicher helfen können, über die Ursachen dieses Krieges nachzudenken und eine Lösung dieser lang angelegten Krise anzudenken. Bereits 2004 hatte die erste von den USA orchestrierte farbige (orangene) Revolution in der Ukraine die Weichen für eine Westorientierung des Landes und damit für einen Konflikt mit Russland gestellt(2).
Dabei lautet einer wichtigsten Präliminarartikel Kants: „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen.“ Dieses Verbot gewaltsamer Interventionen findet sich auch in der UN-Charta wieder. Die Geschichte Vietnams, Afghanistans und des Irak zeigt, dass Großmächte diesem moralischen Imperativ zu gehorchen offenbar nicht bereit sind. Schon der Irak-Krieg 1991 spielte sich in einer völkerrechtlichen Grauzone ab und ließ den damaligen UN-Generalsekretär Perez de Cuellar am ersten Tag der Luftangriffe auf Bagdad von einer “Niederlage der Vereinten Nationen” sprechen. Und seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 spielen die UN und das Völkerrecht für die Vereinigten Staaten gar keine Rolle mehr – es regiert das Faustrecht.
Gerade vor diesem Hintergrund wäre Königsberg (das heutige Kaliningrad) der ideale Ort gewesen, alle Verfehlungen seit Ende des Zweiten Weltkriegs einmal zu reflektieren. Immerhin richtete die Kaliningrader Kant-Universität einen wissenschaftlichen Kongress zu Kants Wirken aus.
Weiterlesen:
Teil 1: Kant eine russische Trophäe?
16.5.2024
https://apolut.net/immanuel-kants-300-geburtstag-teil-1-von-wolfgang-effenberger/
PDF:
https://apolut.net/immanuel-kants-300-geburtstag-teil-1-von-wolfgang-effenberger//?print-posts=pdf
oder: WE16.5.2024
Teil 2: Reiseimpressionen aus Kaliningrad (ehemals Königsberg)
23.5.2024
https://apolut.net/immanuel-kants-300-geburtstag-teil-2-von-wolfgang-effenberger/
PDF:
https://apolut.net/immanuel-kants-300-geburtstag-teil-2-von-wolfgang-effenberger//?print-posts=pdf
oder: WE23.5.2024
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Weitere Schriften von Wolfgang Effenberger
https://afsaneyebahar.com/category/wolfgang-effenberger/
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Siehe auch:
Zum ewigen Frieden
Von Immanuel Kant
Wortgetreuer Neudruck der Erstausgabe (Zweitdruck) von 1795
https://www.projekt-gutenberg.org/kant/ewfriede/titlepage.html
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Im Projekt Gutenberg-DE vorhanden
- Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels
- Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen
- Ethische Elementarlehre
- Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
- Die Metaphysik der Sitten. Erster Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre
- Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht
- Kleinere Schriften
- Kritik der praktischen Vernunft
- Kritik der reinen Vernunft (erste Auflage)
- Kritik der reinen Vernunft (zweite Auflage)
- Kritik der Urteilskraft
- Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können
- Der Streit der Fakultäten
- Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbenjahre von 1765–1766
- Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik
- Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral
- Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raum
- Was heißt: sich im Denken orientieren? (Aufsatz aus »Berlinischen Monatsschrift«)
- Was ist Aufklärung
- Zum ewigen Frieden
Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, u.s.w., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen droht, wenn sie es versuchen allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeinhin von allen ferneren Versuchen ab.
Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalsten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher gibt es nur Wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wickeln und dennoch einen sicheren Gang zu tun.
Weiterlesen: https://www.projekt-gutenberg.org/kant/aufklae/aufkl001.html