Kulebas Mission in Indien ist ein qualifizierter Erfolg. Von M. K. Bhadrakumar (30.3.2024)

"[...] Delhi ist sich der hohen Wahrscheinlichkeit bewusst, dass der Krieg in der Ukraine im Anschluss an den Terroranschlag auf die Moskauer Krokus-Stadthalle eskalieren könnte. Die Biden-Administration ist an Friedensgesprächen mit Russland völlig desinteressiert – zumindest bis zu den Wahlen im November.

Dies zeigt sich auch in der verlockenden Andeutung des Vorsitzenden der US-Generalstabschefs, General C.Q. Brown, am Donnerstag, dass die Bereitstellung von ATACMS-Langstreckenraketen für die Ukraine, die Moskau erreichen können, nicht unbedingt eine Überschreitung der "roten Linie" des Kremls bedeuten würde. Nach Angaben des Magazins Defense One hat die zurückhaltende Reaktion Russlands auf eine Reihe jüngster ukrainischer Angriffe weit innerhalb des russischen Territoriums das Pentagon zu einer solch kühnen Schlussfolgerung ermutigt."

Kulebas Mission in Indien ist ein qualifizierter Erfolg

Von M. K. Bhadrakumar

30.3.2024

https://www.indianpunchline.com/kulebas-mission-to-india-is-a-qualified-success/

Übersetzung von Andreas Mylaeus

 

Die Gespräche des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba am Freitag in Neu-Delhi bestanden im Wesentlichen aus Treffen mit nur zwei indischen Beamten – seinem indischen Amtskollegen S. Jaishankar und dem stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater Vikram Misri. Premierminister Narendra Modi empfing Kuleba nicht. Insgesamt hat sich das Gastgeberland bei Kulebas Besuch sehr zurückgehalten.

Wie Banquos Geist bei Macbeths Bankett für die schottischen Thanen in Shakespeares Stück hat der schreckliche Terroranschlag auf die Moskauer Krokus-Stadthalle am 22. März den Besuch Kulebas ein wenig dramatisiert.

In dieser Situation war die Gelassenheit und Würde, mit der Jaishankar die Rolle des gelassenen Gastgebers spielte, bemerkenswert. Im Gegensatz zu Macbeth, der so verzweifelt war, dass die Thanen abreisen mussten, und selbst beschloss, am nächsten Tag die Hexen aufzusuchen, war Jaishankar der vollendete Diplomat, obwohl der grenzüberschreitende Terrorismus – insbesondere die staatlich geförderte Variante – für die Inder ein höchst sensibles Thema ist.

Kaum hatte die Nachricht von der Krokus-Stadthalle Jaishankar auf seiner ASEAN-Reise durch Singapur erreicht, äußerte er sich zu den tiefgreifenden Beziehungen Indiens zu Russland. Jaishankar betonte, warum Indien seine Beziehungen zu Russland aus seiner Perspektive betrachten sollte und wird.

„Sagen Sie mir, hat Russland uns geholfen oder geschadet? Hat Russland in entscheidenden Momenten einen Beitrag geleistet oder uns behindert? Können wir in Zukunft von Russland profitieren, oder wird es nur Schaden anrichten?“ fragte Jaishankar.

Er fügte hinzu: „Wenn ich also meine Berechnungen aus meiner Perspektive und mit meinen Erfahrungen anstelle, werde ich die Antwort erhalten. Und die Antwort in diesem Fall ist, dass Russland ein Land ist, mit dem wir immer eine positive Beziehung hatten. Sowohl Indien als auch Russland haben darauf geachtet, dass die Interessen des jeweils anderen gewahrt bleiben. Ich denke also, wir sollten dieses Vertrauen auch für die Zukunft haben.“

Weiterlesen: MKB30.3.2024

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Bemerkung von Andreas Mylaeus zu dem oben aufgeführten Artikel:

Der anliegende Artikel über die Stellungnahme von Brown ist derjenige, den M. K. Bhadrakumar in seinem Essay erwähnt. Russland hatte wiederholt und sehr nachdrücklich davor gewarnt, das russische Kernland mit weittragenden Waffen anzugreifen. Russland werde sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen solche Angriffe wehren. Offenbar gibt es an der Spitze des US-Militärs neuerdings Menschen, die diese Stellungnahmen nicht – mehr – ernst nehmen. Der frühere Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff Milley hatte dazu eine vorsichtigere Position, was letztlich dazu geführt hatte, dass Deutschland die Anweisung des Pentagon, keine Taurus an die Ukraine zu liefern, befolgt hat. Dreht sich der Wind jetzt an der Spitze in den USA? Oder sind das Versuchsballons? Wir werden das abwarten müssen – die Eskalationsspirale, die von den USA immer wieder angetrieben wird, geht jedenfalls weiter.

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Siehe auch:

Worüber der Westen nicht spricht, wenn er den IS für den Anschlag in Moskau verantwortlich macht

Könnte die Ukraine hinter dem Massaker in Moskau stecken? Der Einsatz radikaler Islamisten zur Ausführung von Terroranschlägen liegt voll und ganz in der Strategie der Ukraine, die darauf abzielt, Russland und den Russen größtmöglichen Schaden zuzufügen.

Vom Team der Direktion 4

30.3.2024

https://afsaneyebahar.com/2024/03/31/20699124/

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Transatlantizismus im Amoklauf

Von Günther Auth

31.3.2024

https://www.nachdenkseiten.de/?p=113043




„… Wenn es nun stimmen sollte, dass der Krieg in der Ukraine von US-amerikanischer Seite sehr wohl ‚provoziert’ worden ist, wie fellows des angesehenen Cato-Instituts konstatieren[50]; wenn es außerdem zutreffen sollte, dass eine Beendigung des Krieges in der Ukraine vor allem von westlicher bzw. US-amerikanischer Seite bisher nicht gewollt war, wie informierte Ex-Militärs aus Deutschland betonen[51]; wenn es jedoch aus militärstrategischen Gründen unnötig ist, Russland zu ‚schwächen’, weil Russland dem Westen in konventionell-militärischer Hinsicht immer klar unterlegen und obendrein auch nicht an einem Wettrennen um nuclear primacy interessiert gewesen ist[52]; und wenn Russland ungeachtet aller Behauptungen transatlantischer Falken bisher keine erkennbaren Absichten gehegt hat, den Angriffskrieg mit einem imperialistischen Anspruch weiter nach Westen auszuweiten, was angesichts besagter conventional military inferiority Russlands einem völlig irrationalen Akt der Selbstzerstörung gleichkäme, dann stellt sich die Frage, worum es im Ukrainekrieg tatsächlich geht: Soll Russland durch westliche Waffenlieferungen an die Ukraine zu einem Einsatz taktischer Nuklearwaffen gedrängt werden, um für die NATO einen Anlass zu schaffen, offiziell in den Krieg gegen Russland einzusteigen? Soll diese Form der Eskalation des Krieges den von transatlantischen Falken gewünschten Anlass für einen offensichtlich schon seit längerer Zeit geplanten nuklearen disarming strike gegen Russland schaffen, der in den westlichen Gesellschaften sonst nicht legitimierbar wäre?

Liegt in dieser unausgesprochenen Absicht der transatlantischen Falken vielleicht auch die Erklärung für eine Forderung Selenskyjs im Oktober 2022 nach einem NATO-Präventivschlag gegen Russland?[53] Geht es bei einem solchen NATO-Präventivschlag am Ende auch gar nicht um die Verteidigung der Ukraine, den Schutz der ‚regelbasierten internationalen Ordnung’ sowie der oft reflexartig ins Feld geführten ‚westlichen Werte’? Geht es bei einem solchen Präventivschlag vielleicht auch nicht einmal um die Sicherung der military primacy der USA, die in jedem Fall völlig unangefochten bleibt? Geht es bei einem NATO-Präventivschlag vielleicht eher um die Ausschaltung Russlands (und mittelfristig Chinas) als Konkurrent/en der USA im globalen Wirtschafts- und Währungsraum, wie manche Experten betonen[54]? Geht es bei einem solchen Präventivschlag vielleicht auch um ein von westlichen Elitenetzwerken lang gehegtes Ziel der Eliminierung Russlands und seiner legitimen Ansprüche auf die enormen Öl- und Gasressourcen im kaspischen Becken[55] sowie in der Arktis?

So abwegig all diese Überlegungen auf den ersten Blick auch wirken mögen: Ein nuklearer disarming strike der USA bzw. der NATO gegen Russland (und evtl. China) scheint manchen einflussreichen Falken offensichtlich nicht nur durchführbar, sondern auch geboten. Aus einer Perspektive informierter Sachlichkeit besitzen solche Überlegungen zu einem nuklearen disarming strike jedoch eher den Status einer Paranoia, die das enorme Ausmaß der sie begleitenden militärstrategischen Hybris überdeckt. Es ist jedoch nüchtern betrachtet völlig unverständlich, dass die immensen Risiken für ‚Kollateralschäden’ in Deutschland und Europa, wie auch im Rest der Welt, in der öffentlichen Debatte so stark bagatellisiert bzw. oft sogar gleich ganz ignoriert werden können.

Die potenziellen Opfer eines Nuklearkriegs in Europa sind zwar im Endeffekt zu einer passiven Zuschauerrolle im great game der Nuklearmächte verdammt, aber sie haben in Deutschland aufgrund ihrer juristischen Eigenschaft als Teilhaber des Souveräns im Sinne des deutschen Grundgesetzes zumindest das Recht, die dramatischen Risiken einer immer weiter gehenden militärischen Eskalation des Krieges in der Ukraine unter Berücksichtigung aller (!) verfügbaren Informationen sachlich zu diskutieren. Und aus diesem Grundrecht wird nicht zuletzt deswegen ein Gebot, weil die weltanschaulich – und willkürlich – motivierte Engführung der öffentlichen Debatte durch unangemessene Diffamierungen kritischer Stimmen als russische Propaganda einerseits und moralisierende Tabuisierungen höchst prekärer Sachverhalte andererseits an die rhetorische Frage von Erich Fromm anno 1965 erinnert: ‚Sind wir geistig noch gesund?’ …“