Den Mut aufbringen und über eigene Kriegserfahrungen sprechen

Den Mut aufbringen und über eigene Kriegserfahrungen sprechen

25.3.2024

Das gräßliche, staatlich geförderte Kriegsgeschrei nimmt täglich neue Dimensionen an. Ich frage mich immer wieder: Wann wird die Grenze der Unerträglichkeit überschritten, so dass viele Menschen endlich den Mut aufbringen, über eigene Kriegserlebnisse berichten und diesem gespenstigen Wahn ein Ende setzen.

Damit meine ich nicht nur die älteren Generationen, die den zweiten Weltkrieg am eigenen Leibe erlebt haben. Die berüchtigten Auslandseinsaätze der Bundeswehr haben auch jüngere Menschen traumatisiert. Auch sie sollten darüber informieren, welche Gräueltaten und welches Elend Kriege verursachen.

Meinem ehemaligen Mathematik- und Physik-Lehrer, Hans Losse, habe ich unter anderem die wissenschaftliche Vorgehensweise zu verdanken. 1938 geboren hat er den grauenvollen zweiten Weltkrieg nicht vergessen und aus aktuellem Anlass einen Leserbrief geschrieben, der in einer Lokalzeitung veröffentlicht worden ist.

******

Kindheitserlebnisse erzählen

 

Als Noch-Vorkriegskind (Jahrgang 1938) sehe ich die Pläne über den Zivilschutz altersbedingt etwas anders als die 30 Jahre jüngere Bildungs- und Forschungsministerin. Meine Kindheit fiel in die die Kriegs- und Nachkriegszeit.

Die britischen Luftangriffe auf Hamburg habe ich als Kind erlebt und überlebt. Unauslöschliche Bilder haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Als ehemaliger Lehrer (OStR, Mathematik, Physik) habe ich sie einmal in einer Projektwoche schildern dürfen: brennende Häuser, blutende schreiende Menschen, verkohle Leichen in den Staßen, einstürzende Mauern, ein unvergesslicher Brandgeruch. Tote, von Splittern durchsiebte Brauereipferde, immer wieder Hilfeschreie, verzweifelte Feuerwehrleute … So aufmerksame und gebannt zuhörende Schülerinnen und Schüler hatte ich selten.

Zusmmen mit meiner Mutter und Großmutter (mein Vater hatte sein junges Leben bereits in Stalingrad verloren) wurden wir 1943 in ein Ferienhaus im Landkreis Harburg einquartiert. Die NS-Verwaltung hatte es uns kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Eigentümer, ein wohlhabender Hamburger, besuchte uns dort gelegentlich.

1944 wurde ich in der Dorfschule Ashausen eingeschult. Auf dem 5,5 Kilometer langen Schulweg vom Büllhorn ins Dorf muste ich mich täglich vor Tieffliegerangriffen in Büschen am Wegesrand verbergen. Ich hatte das Gefühl, dass der Pilot mich kannte und dass der liegende Bordschütze mich mit seinem MG verschonte.

Nach dem Krieg kehrten wir wieder nach Hamburg zurück; in den Trümmern suchte ich nach Altmetall, so konnte ich früh schon zum Lebensunterhalt der Restfamilie beitragen. Diese Kindheitserlebnisse würde ich gern im Wehrtüchtigungsunterricht (oder wie man das Fach nennen wird) neben dem Lehrplan, auf den ich gespannt bin, erzählen.

Hans Losse, Agathenburg

******

Die Röte des Himmels

(16.3.2024)



Früh stehe ich fröhlich auf

verlasse erwartungsvoll das Haus

um mit den Vögeln zu singen

die Tauperlen auf den Blättern zu küssen

die belebende Brise zu begrüßen

und die Morgenröte zu genießen

Denn ich bin mir besonders bewusst

dass in diesen bedrückenden Zeiten

des staatlich geförderten Kriegsgeschreis

die Röte des Himmels

nicht nur von der Sonne kommen kann

֎֎֎