«Wir benutzen die Ukraine, um Russland zu bekämpfen». Interview mit Jacques Baud

Quelle:

Zeitgeschehen im Fokus; Ausgabe Nr. 10/11 vom 12. Juli 2023

«Wir benutzen die Ukraine, um Russland zu bekämpfen»

Interview mit Jacques Baud

Jacques Baud hat einen Master in Ökonometrie und ein Nachdiplomstudium in internationaler Sicherheit am Hochschul¬institut für internationale Beziehungen in Genf absolviert und war Oberst der Schweizer Armee. Er arbeitete für den Schweizerischen Strategischen Nachrichtendienst und war Berater für die Sicherheit der Flüchtlingslager in Ost-Zaire während des Ruanda-Krieges, arbeitete u.a. für die Nato in der Ukraine und ist Autor mehrerer Bücher über Nachrichtendienste, asymmetrische Kriegsführung, Terrorismus und Desinformation.

 

Zeitgeschehen im Fokus Was lässt sich über den Fortschritt der ukrainischen Gegenoffensive sagen?

 

Jacques Baud Zunächst einmal war der Verlauf, den wir heute sehen, zu erwarten. Die russische Verteidigung hält vor der sogenannten Kontaktlinie (Nato-Bezeichnung: Forward Edge of the Battle Area, FEBA) eine Sicherheits- oder Überwachungszone in einer Tiefe von 5 bis 10 Kilometern.¹ Dann beginnt erst das eigentliche Verteidigungsdispositiv. Es gibt eine erste Verteidigungslinie, die ungefähr 5 bis 10 Kilometer tief ist. Dahinter liegen eine Pufferzone und eine weitere Verteidigungslinie. Im Raum Saporischja zum Beispiel gibt es drei dieser Verteidigungslinien. Das ist ein Verteidigungsdispositiv, das etwa 30 bis 50 Kilometer tief ist, wenn nicht noch mehr.²

In vier Wochen ist es den Ukrainern nicht gelungen – nirgends entlang der 900 Kilometer langen Front – die erste Verteidigungslinie der Russen (FEBA) zu erreichen. In der Überwachungszone befinden sich nicht nur Panzerabwehrminen, sondern auch sogenannte Jägerverbände (Okhotniki), die sehr mobile, speziell für die Panzerabwehr ausgebildete Einheiten sind.³ Mitte Juni behauptete der Militär-«Experte» Alexandre Vautravers in einem Westschweizer Fernsehsender⁴, dass die Russen nicht mehr genügend Soldaten hätten und ihre Elite-Spezialkräfte einsetzen müssten, um Infanteriearbeit zu leisten. Das ist völlig falsch. Er hat absolut nichts verstanden und verwechselt «Sondereinheiten» (спецотряд) mit «Spezialeinheiten» (войска специального назначения). Ich empfehle ihm die Lektüre meines Buches zu diesem Thema (das sogar in der Ukraine übersetzt wurde!).⁵

Diese «Jäger» sind leicht bewaffnet, aber sie können mit Lasern Ziele für luftgestützte Panzerabwehrsysteme oder Roboter markieren.⁶ Die Mehrheit der zerstörten Panzerfahrzeuge, die man gesehen hat wie den M113, Bradley, Leopard etc. wurden durch diese leichten Verbände und die Artillerie zerstört. Genaue Zahlen über die Verluste an Material zu bekommen, ist sehr schwierig, aber man geht davon aus, dass ungefähr 40 Prozent der Panzerfahrzeuge, die den Ukrainern geliefert wurden, bereits in der ersten Woche zerstört worden sind.

Weiterlesen: https://www.zeitgeschehen-im-fokus.ch/de/newspaper-ausgabe/nr-10-11-vom-12-juli-2023.html#article_1536

PDF: JB072023

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Siehe auch:

MANOVA-Gespräch: „Wahrheit unter Beschuss“

Im Manova-Exklusivgespräch diskutiert Walter van Rossum mit dem ehemaligen Oberst der Schweizer Armee Jacques Baud, dem Journalisten Dirk Pohlmann und dem Oberstleutnant a. D. Jürgen Rose über die Lügen des russisch-ukrainischen Krieges.

https://www.youtube.com/watch?v=hG54LQ6cHM0&list=PLS_jddBXjdqcBKneCQcPN8NOTSqlmNqpy

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Warum hat Putin die Ukraine angegriffen?

Von Jacques Baud

10.7.2023

Was geschah wirklich in den Tagen und Wochen unmittelbar vor Kriegsausbruch im Februar 2022? Der Schweizer Geheimdienstanalyst und UN-Experte Jacques Baud hat die Ereignisse im Vorfeld des russischen Angriffs unter die Lupe genommen. In seinem in dieser Woche in deutscher Sprache erscheinenden Buch stellt er bislang wenig beachtete Quellen in einen größeren Zusammenhang. Multipolar veröffentlicht Auszüge.

https://multipolar-magazin.de/artikel/warum-hat-putin-die-ukraine-angegriffen

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Die deutsche Friedensbewegung und der Ukraine-Krieg

Von Karl-Jürgen Müller

26.7.2023

Die weltweite und insbesondere auch die deutsche Friedensbewegung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs («Nie wieder Krieg!») ist angetreten, Kriege als Mittel der Konfliktlösung grundsätzlich zu beenden. Dieses Ziel teilen alle Menschen guten Willens, so wie es auch die Charta der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1945 zum Ausdruck gebracht hat. Auch die Frage, die der folgende Artikel stellt, fühlt sich diesem Ziel verpflichtet. Die Frage lautet: Dient die teils scharfe Schuldzuweisung aus der deutschen Friedensbewegung an Russland für den Ukraine-Krieg wirklich dem Frieden? […]

[…] Dass in Deutschland gegen Bürger, die das offizielle und das Friedensbewegungs-Narrativ vom «völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg» kritisch hinterfragen, strafrechtlich ermittelt wird und schon erstinstanzliche Strafurteile gefällt wurden, ist eher ein Hinweis darauf, wie stark die deutsche Demokratie unter ihrer Kriegsbeteiligung schon gelitten hat. Jeder, der ein bisschen wach ist, hat mittlerweile mitbekommen, wie politisch unkorrekte Positionen zum Krieg in der Ukraine, aber auch zu anderen Kriegen, an denen Deutschland beteiligt ist, ausgegrenzt werden sollen.

https://www.nachdenkseiten.de/?p=101667

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